Tremonia Mobility: Vom Stern zum Raubvogel

Neu auf dem Markt der Kleinbusse und zugleich schon lange dabei ist die Tremonia Mobility GmbH aus Dortmund. Wir stellen die Minibusmanufaktur jetzt einmal genauer vor.

Wer ist eigentlich Tremonia? Die Frage ist berechtigt, denn der Kleinbushersteller, der da scheinbar plötzlich neu auf dem Markt auftritt und das gleich mit einer ordentlichen Reihe von Fahrzeugen im Sortiment ist ein absoluter Neuling und zu gleich ein alter Hase. Dieses Paradoxon gilt es nunmehr aufzulösen.

Zuerst einmal zu dem ungewöhnlichen Namen, mit dem kaum jemand etwas anzufangen weiß. Es sei denn, er kommt aus Dortmund bzw. er kennt sich sehr gut mit Latein aus. Tremonia ist die lateinische Bezeichnung für Dortmund und basiert laut den Sprachexperten auf dem altsächsische Throtmanni. Im Westfälischen rings um Dortmund ist das Wort Tremonia durchaus noch geläufig und taucht in verschiedenen Firmen-, Vereinsnamen u. ä. m. auf.

Von der Midibus GmbH zu Tremonia

Und wie kommt die Tremonia Mobility GmbH, die ihren Firmensitz in Dortmund hat, nun zu ihrem Namen? Ganz einfach: Den alten Firmennamen musste man ablegen und einen neuen suchen. Tremonia war bis vor kurzem die Daimler-Tochter Mercedes-Benz Minibus GmbH, die bei ihrem Verkauf an einen Investor ihren Namen verlor. Und die Mitarbeiter entschieden sich bei einer internen Befragung für diese Neubenennung.

Tremonia verlor nicht nur den Namen, sondern darf auf ihren Produkten auch keinen Stern mehr tragen. Daher trägt man nun einen stilisierten Raubvogelkopf auf dem Blech.

Dabei hatte einst der Stuttgarter Fahrzeugbauer Daimler Großes vor im Segment der Kleinbusse: Erst 1998 stieg der Konzern über die EvoBus GmbH ins Kleinbusgeschäft ein. In dem Jahr übernahm man 49 % vom Aufbauspezialisten Karl Koch GmbH in Mudersbach. Im Jahr 2000 startet man dann die Fertigung in Dortmund. Vier Jahre später übernahm Evobus die restlichen 51 % des Kleinbusbauers und taufte das Unternehmen in Mercedes-Benz Minibus GmbH um. Dortmund wurde zugleich der neue Firmensitz.

Einst wollte Daimler ein Full-Line-Hersteller werden

„Durch die vollständige Integration der Karl Koch GmbH profitieren wir noch mehr als in der Vergangenheit von dem traditionsreichen Aufbauspezialisten, mit dem wir seit über 30 Jahren kooperieren“, so Wolfgang Diez, damals noch Vorsitzender der Geschäftsführung der EvoBus GmbH und Leiter des weltweiten Geschäftsbereichs DaimlerChrysler Omnibusse. Konzernziel war es in jener Zeit ein Full-Line-Hersteller zu sein, der vom Gelenkbus bis zum Mini alles im Programm hatte.

Damals konzentrierte man sich in Dortmund auf Auf- und Umbauten von den Kastenwagen Sprinter und Vario. Bis zu 1200 Transporter erlebten in Dortmund jährlich ihre Metamorphose in Klein- und Midibusse. Der Vario ist mittlerweile Geschichte, genauso eben wie Kleinbusse aus dem Hause Daimler.

Doch die Welt rund um den Stern wandelte sich noch dramatischer. Der Konzern Daimler spaltete sich in ein Pkw- und ein Lkw-/Bus-Unternehmen (Mercedes-Benz/Daimler Truck). Die Pläne wurden Herbst 2021 veröffentlich und Anfang 2022 umgesetzt. Ende 2021 wurde zudem bekannt, dass Daimler sich aus dem Kleinfahrzeuggeschäft zurückziehen und sich auf die Busse oberhalb der 8 t konzentrieren wird. Der Investor Aequita, eine Kommanditgesellschaft auf Aktienbasis (KGaA) aus München sprang Januar 2022 ein und übernahm das Werk in Dortmund. Die inhabergeführte Industriegruppe investiert – nach eigenen Angaben – gerne in Projekte bei wirtschaftlichen Sondersituationen wie Konzernabspaltungen, Nachfolge- und Restrukturierungssituationen in Europa.

Aequita glaubt an den Erfolg

Aequita sieht im Gegensatz zu Daimler Truck durchaus einen wirtschaftlichen Reiz in der Herstellung von Kleinbussen auf der Basis des Sprinters und mittlerweile auch des VW-Crafters.

Auch wenn man am alten Standort produziert, so muss Tremonia auch neue Wege gehen. Das Unternehmen muss unbedingt auf Profitabilität getrimmt werden. Das war schließlich der Hauptgrund, warum Daimler Truck heutzutage auf eigene Kleinbusse verzichtet, auch wenn man dort über die Tochter Daimler Buses bis Ende 2023 noch Kleinbusse bestellen kann (und Tremonia-Busse bekommt).

Zudem muss man sich von der ehemaligen Mutter abnabeln und in allen Punkten neue Strukturen aufbauen sowie Geschäftsbeziehungen auch zu Daimler (Sprinter-Einkauf) neu auflegen.

Für die Profitabilität verantwortlich ist in erster Linie Lukas Krahé, Geschäftsführer bei Tremonia und Director bei Aequita und damit Teil des dortigen Operations-Teams. Mittlerweile sei man wieder auf guten Weg, wie er bei unserem Besuch betonte. Auch wenn die Produktion zwischenzeitlich geschwächelt hat, sei man nun wieder bei 1.200 Fahrzeugen im Jahr. Noch bauen die Fahrzeuge alle auf den MB Sprinter auf, aber für 2023/2024 habe man auch den VW Crafter als Basisauto zur Verfügung und mit den E-Bussen geht man nun den nächsten logischen Schritt weiter. Den neuen Sprinter City 45 Electric stellen wir im Anschluss vor.

Lukas Krahé kann dabei auf das ehemalige Mercedes-Benz-Minibus-GmbH-Team zurückgreifen, sowohl in der Produktion – 230 Kollegen arbeiten dort – als auch in Verwaltung und Vertrieb. Irina Pinskaya ist z. B. so ein Urgestein. Vor gut 17 Jahren fing sie bei den Kleinbussen im Produkt-Management an. Heute stehen bei ihr Marketing und Messeorganisation im Fokus. „Man lernte jeden Tag dazu“, kommentierte sie rückblickend die aufregenden Tage des Übergangs von der Konzerntochter zum eigenständigen Mittelständler.

Josa Prinz zeichnet wiederum für den operativen Bereich beim Kleinbusbauer verantwortlich. Er hat die Leitung Produktstrategie und Programm-Management inne. Einkauf der Basisfahrzeuge und die Entwicklung neuer Produkte stehen mit auf seiner Agenda. Prinz war 12 Jahre bei Mercedes Vans beschäftigt und kennt die Sprinter wie kaum ein anderer aus seiner Westentasche.

Dr. Jürgen Knothe ist seit Anfang 2022 in der Geschäftsführung und zeichnet ebenfalls für die Entwicklung und den Einkauf verantwortlich. Er trägt den Stern seit Ende seines Doktorstudiengangs auf seiner Brust, den jetzt der Raubvogel ersetzt.

Neu im Programm: City 45 Electric

Das heißt, auch wenn der Stern und Name verloren gingen, die Dortmunder besitzen ein erfahrenes Team, das das Segment der Kleinbusse und Vans gut kennt und damit mit Zuversicht in die eigene Zukunft blicken kann.

Zum Bauprogramm der Dortmunder gehören neben dem neuen City 45 Electric die Diesel-Stadtbusse City 75 und 45 (8,5 m/38 Fahrgäste, 7,4 m/28 Fahrgäste). Darunter sind der Tansfer 35 und 45 (5,9-7,4 m/12-22 Fahrgäste) sowie der Mobility 23 (mit Hecklift, 6 m/8 Fahrgäste bis zu 4 Rollstuhlplätze) angesiedelt. Das Reisemodell nannte sich wiederum Travel 75, wird aber nicht mehr aktiv vermarktet. Dafür soll es zukünftig einen Travel 45 als komfortables Langstreckenfahrzeug geben, was Mitte 2024 auf den Markt kommen soll. Neu im Sortiment sind zudem der VW Crafter Mobility 6+2 und der VW Crafter People Mover 7+2.

Bildquelle: Ralf Theisen

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