Richard Wagner: Der Mythos kennt keinen Alltag

In der neuen Sonderausstellung „Mensch Wagner“ im Richard Wagner Museum geht es dem „Monolithen“ Richard Wagner an den Kragen. Die Bayreuther Experten dekonstruieren den Mythos und zeichnen detailliert den Menschen nach.
Die kommende Sonderausstellung im Richard Wagner Museum steht unter dem Titel „Mensch Wagner“. Eigentlich müsste man in Bayreuth dieser Überschrift sogar ein Fragezeichen zur Seite stellen. Denn was ist Wagner alles in unserer kollektiven Erinnerung? Komponist, Dichter, Dramatiker, Schriftsteller, Regisseur, Dirigent, Egomane, Nassauer, Schwerenöter, Antisemit, Linksradikaler, Vegetarier, Klimaschützer, Tierfreund, Genie, Kult – alles das passt auf Wagner.

Und so ist die Frage – Wer war eigentlich dieser Richard Wagner? – mehr als berechtigt. Natürlich, die aktuellen Wagner-Fachleute im Museum sind nicht die Ersten, die sich dieser Frage stellen und den Menschen Richard Wagner wissenschaftlich durchleuchten. Forschergenerationen vor ihnen sowie viele Wagnerianer und Fans dieses großen Mannes haben sein Leben und Schaffen dokumentiert und hinterfragt.

Wagner rückt in eine andere Dimension


Auf ihren Vorleistungen und auf der aktuellen Forschung beruhen die in der Sonderausstellung zu sehenden Objekte, Dokumente und Recherchen. Bereits zu seinen Lebzeiten gab es erste Veröffentlichungen über Richard Wagner. Mit seinem anwachsenden Erfolg und spätestens nach seinem Tod, nicht zuletzt durch das Zutun seiner Erben, bekommt die Berichterstattung über ihn und seiner Schaffenskraft eine neue Dynamik und die Gestalt Richard Wagner rückt in eine andere Dimension. Aus dem Menschen mit allen seinen Schwächen und Vorteilen wird nach und nach ein Übermensch, wie die Fachleute aus dem Wagner-Haus betonen. Die veröffentlichten Darstellungen zu ihm „gerinnen zur Hagiographie“, sprich zur Biographie eines Heiligen.


„Dieser Enthebung ins Überirdische entspricht die sehr geringe Überlieferung von Relikten und Spuren des ’alltäglichen‘ Wagner. Der Mythos kennt keinen Alltag“, so schreibt das Richard Wagner Museum. Anders sieht das Portrait aus, wenn man in die Tiefe geht. Und das hat das Museum getan. Dann kommen ganz andere Linien, Striche und Schattierungen zutage, die aus dem „Heiligen“ wieder einen Menschen zeichnen.


Basis für dieses strukturierte und tiefgründige Bild sind Wagners biographische Schriften, die große Anzahl textlicher Äußerungen zu einem ebenso unüberschaubaren Themenkreis, bildliche Zeugnisse und schließlich das musikalische und dramatische Werk. Jetzt wird der Mensch Wagner vielschichtig und in Teilen auch widersprüchlich.


Ergänzt man dieses um Erinnerungen aus dem Kreis der Familie, der Freunde, der Förderer aber auch um den Blick seiner Kritiker, dann zerfällt der eherne „Monolith“ Wagner und übrig bleibt im Kern ein Mensch wie Du und ich – eben mit Schatten und Stärken. Das Richard Wagner Museum in Bayreuth wagt also in Rahmen der diesjährigen Sonderausstellung den Versuch „den Mythos zu dekonstruieren, vom Bild den Firnis der Rezeption abzunehmen, um sich dem Menschen Richard Wagner zu nähern“. Damit dieser neue Blick auf den Menschen gelingen kann, blickte das Museumsteam in die Kinderstube des großen Künstlers, durchstöberte seine Küche und seine Garderobe, nahm Platz in seiner Bibliothek und Schreibstube und durchforstete sogar Teile seine damaligen Krankenakte. Selbst auf seinen Reisen über den gesamten Kontinent „begleiteten“ die Wagner-Spezialisten ihn. Und zu Wort kommen auch jene, die im realen Leben neben ihm schritten: Freund wie Feind. Schlussendlich spricht auch der große Komponist selbst zu den Museumsbesuchern über jene Mitmenschen, die er liebte oder hasste. Man darf also sehr gespannt sein, wie er die Mitmenschen sah und diese ihn.

Sonderausstellung „Mensch Wagner“
Datum: 17. Juli bis 8. Oktober 2023
Ort: Sonderausstellungsfläche im Neubau
Eintritt: Der Besuch der Sonderausstellung ist im Eintrittspreis inbegriffen
Öffnungszeiten: Juli und August: Montag bis Sonntag: 10 bis 18 Uhr; September bis Juni: Dienstag bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr
Richard Wagner Museum, Richard-Wagner-Str. 48, 95444 Bayreuth
Voranmeldung von Gruppen, Buchung von Führungen, kasse@wagnermuseum.de, Tel.: 0921/7572816

Bild: Zeitweilig plante Richard Wagner, alle Zelte abzubrechen und einen Selbstfindungstrip nach Griechenland und in den Orient zu unternehmen. Zu dieser Zeit malte ihn sein Freund Ernst Benedikt Kietz, der von den Plänen wusste, als Wesir.
Bildquelle: Fotos: Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung, Bayreuth

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