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Nationalpark Kellerwald-Edersee: Im Buchenwald liegt die Wiege unserer Kultur

Buchenwälder bedeckten einst fast ganz Europa. Die heutigen, kleinen Reste dieser vormals riesigen Urwälder sind mittlerweile in 18 Ländern als UNESCO-Welterbe geschützt. Dazu zählt der hessische Nationalpark Kellerwald-Edersee.

Die Serbische Rindenwanze und der Veilchenblaue Wurzelhalsschnellkäfer sind die heimlichen Helden im Nationalpark Kellerwald-Edersee. Und wie es sich gehört, ist man hier vor Ort und besonders die hiesigen Ranger, so nennen sich dort die „Förster“, richtig stolz auf ihre Helden.

Dabei sind es eher unscheinbare Wesen, die in den dortigen Waldbereichen leben. Der dämmerungs- und nachtaktive Veilchenblaue Wurzelhalsschnellkäfer ist z. B. gerade einmal 10-12 mm groß. Ein Tierchen also, das man schnell übersehen kann.

Was macht diesen tierischen Helden nun so einzigartig, dass u. a. er so im Fokus des Nationalparks steht? Die Antwort ist für den Laien überraschend: Er zählt ebenso wie die Rindenwanze, der Feuerschmied oder der Breithals-Moderkäfer zu den sogenannten Urwaldzeigern. Sie stellen hohe Ansprüche an die Qualität und -quantität des Totholzes, in dem sie leben und gehen zugleich kaum auf Wanderschaft. Sie gelten daher als Indiz-Tiere für Wälder, die seit Jahrhunderten nicht von Menschen beeinflusst wurden, also echten Urwäldern. Und derartige Urwaldrelikte sind im Nationalpark noch stellenweise zu finden.

Übrigens, Ranger und Förster sind nicht das Gleiche. Zwar kommen viele dieser Parkmitarbeiter aus diesem Berufsfeld, aber sie haben eine parkspezifische Zusatzausbildung und machen alles andere, als den Wald zu durchforsten. Denn die Wälder des Nationalparks werden nicht bewirtschaftet und sollen sich nach und nach wieder zu Urwäldern weiterentwickeln. Allein die dortigen Waldwege werden kontrolliert, saniert und gesichert.

Und die Ranger führen gerne Besuchergruppen durch ihren Wald. Eine Begleitung, die durchweg empfehlenswert ist, wenn man als Wanderer nicht wirklich per Du mit Flora und Fauna ist. Sie machen einen nämlich auf die Besonderheiten in jeden unterschiedlichen Waldbereich, den man auf den Wegen durchstreift, aufmerksam. Sie sehen am ehesten Luchs (wandert nur gelegentlich durch das Areal) und Rothirsch, kennen die sechs Specht- und 19 Fledermausarten und können Serbische Rindenwanze und Veilchenblaue Wurzelhalsschnellkäfer von anderen Wanzen und Käfern unterscheiden.

Der Nationalpark Kellerwald-Edersee mit seinen Urwaldresten ist Hessens einziger Nationalpark. Er umfasst insgesamt gut 7700 ha Wald verteilt auf 75 Hügel und den dazugehörigen Tälern rund um den Ederstausee. Teile des Parks, nämlich ca. 1500 ha, zählen dabei zum transnationalen UNESCO-Weltnaturerbe „Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas“ und das macht diesen Nationalpark eben zu etwas ganz Besonderem.

Der größte Teil des Parks inkl. des UNESCO-Schutzgebiets liegt südlich des Sees, aber seit 2020 zählen auch trockenwarme Traubeneichen-Hangwälder nördlich und östlich des Edersees (ca. 2000 ha) dazu. Während die Buchen im Süden auf Schiefer und Grauwacke wurzeln, stehen die Eichen auf Kalksteinen, was die Waldregion um den See sehr abwechslungsreich macht.

Wenn man die Wälder im Nationalpark durchstreift, so blitzt „er“ immer mal wieder blau durch das grüne Laub oder man hat von etlichen Aussichtspunkten den direkten Blick auf den mächtigen Ederstausee. Mit 11,8 km2 Wasseroberfläche ist der durchs Edertal mäandernde Stausee der zweitgrößte in der Bundesrepublik. Seine 48 m hohe Mauer hält seit 1914 das Wasser im Edertal zurück. Seit 2014 werden die 39 Überläufe dieses Sperrwerks allabendlich durch LED-Strahler angeleuchtet und so in Farbe gesetzt.
Sein Wasser dient vor allem der Wasserstandsregulierung im Mittellandkanal und in der Oberweser. Zugleich ist er ein beliebtes Wassersport- und Feriengebiet, an dessen Ufer man auf ebenen Wegen entspannt Wandern oder Radfahren kann.

Unweit des Stauwerks thront dominant das Schloss Waldeck auf einem der Hügel nördlich des Sees. Von hier hat man einen beachtenswerten Blick über das mächtige Gewässer sowie über die Eichen- und Buchenwälder. Das Aussichtsschloss ist zugleich Hotel, Restaurant mit gehobener Küche und Café.
Wer von hier seinen Blick über den großen See und über das fast geschlossene grüne Dach der sich anschließenden Wälder gleiten lässt, der merkt Folgendes schnell: Wer in ihren Schatten eintreten will, sollte gut zu Fuß sein. Das weitläufige Gelände ist sehr hügelig und manche Sehenswürdigkeit oder Aussichtspunkt gilt es, teils recht steil zu erklimmen.

25 Rundwanderwege, mit Tier- oder Pflanzensymbolen markiert, erschließen die Wildnis der Buchen und Eichen. Der Urwaldsteig Edersee führt auf 66 km einmal rund um den See und verbindet das UNESCO-Welterbe des Buchenwaldes mit den Urwaldresten an den Steilhängen des nördlichen Seeufers. Der Kellerwaldsteig verknüpft wiederum auf einem 150 km langen Rundweg den Nationalpark mit dem ihn umschließenden Naturpark Kellerwald-Edersee und mit dem Naturwald Hoher Keller im Süden des Naturparks.

Aber auch für Mitmenschen, die nicht so flott und sportiv unterwegs sein wollen oder können, gibt es Wege in den Wald. Der Quernstweg ist z. B. dafür geeignet. Über alte Windwurfflächen geht’s durch die junge, wiederaufstrebende Wildnis. Der Weg wurde von „Reisen für Alle“ als barrierefrei zertifiziert. Ausgangspunkt ist die KellerwaldUhr in Frankenau.

Diese Besucherattraktion fokussiert sich in ihrer Ausstellung dabei auf die wechselvollen Beziehungen zwischen Mensch und Wald im Zeichen der Buche (Eintritt ist kostenlos). Hier können sich in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen zudem E-Scooter ausleihen (kostenfrei). Diesen Service bieten auch der WaldtierPark Edersee in Edertal-Hemfurth und das NationalparkZentrum Kellerwald in Vöhl-Herzhausen.

Das Zentrum informiert in einer Ausstellung über das Thema heimische Wildnis und nimmt in einem 4D-Sinne-Kino die Zuschauer mit zu den vielen kleinen Geheimnissen in den Buchen- und Eichenwäldern des Nationalparks. Hier ist auch der Veilchenblaue Wurzelhalsschnellkäfer zu Hause – allerdings nur als vergrößertes Modell.

Eine weitere barrierearme Wander- und Spaziergangstrecke ist die Hagensteinroute; ebenfalls zertifiziert. Hier folgt man dem Symbol des Großblütigen Fingerhuts auf den Wanderschildern, die ab dem Parkplatz Himmelsbreite unweit des NationalparkZentrums entlang von knorrigen Eichen-Buchenwäldern bis zum Aussichtspunkt Hagenstein, der „Loreley des Edertals“, führen.

Eine weitere gut zu gehende Alternative wäre der Baumkronenweg ein wenig östlich des WildtierParks am Steilhang zum See gelegen. Die Steilhanglage erlaubt es den Besuchern, sich sozusagen ebenerdig in die Baumkronen vorzuarbeiten. Eine Vielzahl an Schildern und Modellen erläutert dem Höhen-Spaziergänger das Leben in und am Baum und belohnt ihn am Schluss mit einem weiträumigen Blick über den Edersee. Allerdings sollte man für diesen interessanten Ausflug eine gewisse Portion an Höhentauglichkeit mitbringen.

Allgemeine Informationen:
https://www.nationalpark-kellerwald-edersee.de/
https://www.nationalparkzentrum-kellerwald.de/

Bildquelle: Dirk Sanne

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