Es ist soweit: Der ägyptische Bus- und Nfz-Bauer MCV drängt auf den deutschen Markt. In Meschede an der A46 entsteht 2024 die neue Deutschlandzentrale und das Auslieferungszentrum. Im Portfolio: Batterie- und Brennstoffzellenbusse.
MCV – die drei Buch staben stehen für Manufacturing Commercial Vehicles – fertigt seit 1994 Nutzfahrzeuge. Gründer und bis heute Chef ist Karim Ghabbour. Der Ingenieur startete seine Karriere als Generalimporteur für Mercedes-Benz Nutzfahrzeuge in Ägypten. Über die Jahre entwickelte sich sein Unternehmen zu einem stattlichen Konzern mit etlichen, teils internationalen Töchtern, die auch außerhalb des Nutzfahrzeugbaus aktiv sind und z. B. die Wartung von Industrieaggregaten oder Personentransporte mit Omnibussen durchführen.
Seit 1996 nahm das Unternehmen, das bis dato CKD-Montagen von Lkw und Bussen auf Mercedes-Benz-Fahrgestelle durchführte, dann die Produktion von Fahrzeugen unter dem eigenen Markennamen auf. Darüber hinaus hat sich das Schwesterunternehmen Metal Industries of Salheya (MIS) auch auf die Herstellung von Nfz-Aufbauten spezialisiert (u. a. Tank- und Sattelauf – lieger, Tieflader, Kipper, Kommunalaufbauten).
Busse baut man in eigener Regie seit 1998. Setzte man anfangs bei den Bussen vor allem auf Mercedes-Benz- und Volvo-Chassis und errichtete vergleichsweise schlichte Busse, so ging man mit den Jahren Schritt für Schritt weiter. Chassis und Rahmen aus eigener Produktion folgten, werden aber bis heute nicht ausschließlich verwendet. Mittlerweile reicht das Portfolio vom Mini-, über Stadt-, Überland- und Reise- bis hin zu großen Doppelstockbussen.
Auch Busse für Off-Road-Gelände und Dschungelpisten in Zentralafrika stehen im Programm. Für dieses „schwere Gerät“ verwendet MCV interessanterweise als Busbasis das Baufahrzeug MB Arocs. Ebenfalls im Portfolio stehen CHG-Antriebe, Hybridlösungen und eben vollelektrische Antriebe.
Mit den E-Bussen – und danach mit Brennstoffzellenbussen – will man nun auf den deutschen Markt. Sollte sich der Deutschlandstart zum Erfolg entwickeln, dann will man von hier aus die restliche EU angehen.
In Ägypten steht das Hauptwerk in der Kleinstadt El Salheya (Grundfläche 300.000 m2/160.000 m2 überdacht), 150 km nordöstlich von Kairo. Hier entstehen neben den Bussen auch die Nfz-Aufbauten. Der Hauptsitz von MCV liegt allerdings in El Obour nahe der Hauptstadt Ägyptens. Hier befinden sich Entwicklung, Prototypenbau, Aftersales, IT, Training, Engineering und der Formenbau. Über 5.000 Mitarbeiter stehen mittlerweile bei MCV in Lohn und Brot. Diese fertigen im Einschichtbetrieb pro Jahr ca. 6.000 Omnibusse und zusätzliche 1.200 Lkw. Rein rechnerisch könnte man in El Salheya bis zu 10.000 Fahrzeuge im Jahr produzieren.
Über 60 % der Nutzfahrzeuge sind dabei für den Export bestimmt und gehen mittlerweile in über 40 Länder. Der Exportschwerpunkt liegt zwar in Afrika und im Nahen Osten, doch auch der Ferne Osten (Hongkong, Singapur) ist für den ägyptischen Fahrzeugbauer von großem Interesse. Aber MCV ist auch in Europa zuhause. MCV ist vor allem in Großbritannien bereits recht erfolgreich unterwegs. 2002 übernahm man dort den insolventen Hersteller Marshall Bus. In UK vertrieb bzw. vertreibt man die Stadtbusse, meist auf MAN-Fahrgestelle aufgebaut, erst unter der Marke Stirling, dann unter eVolution.
Zurück an den Nil. Die Wertschöpfungstiefe liegt in der ägyptischen Fabrikation bei ca. 70 %. Sprich, MCV stellt sehr viele Komponenten selber her. Das gelingt nur, weil man auch über einen Werkzeug- und Formenbau im Werk verfügt. Allerdings darf man sich die Fertigung in El Salheya nicht auf europäischem oder nordamerikanischem Niveau vorstellen. Wie in einer Manufaktur wird hier insgesamt noch sehr handwerklich gearbeitet. Das geht nur, weil genügend Arbeitskräfte vorhanden sind und diese wesentlich preiswerter in Ägypten produzieren als das Maschinen könnten. Gerade im Niedriglohnsektor sind die Löhne so gering, dass die Automatisierung in der Fabrikation wenig rentabel ist. Und so wundert es nicht, dass bei unserem Besuch in der Busfertigung nur ein Kuka-Roboter, der Kunststoffbauteile ausfräste sowie ein Laserschneider und eine -stanzmaschine zu sehen waren. MCV verfügt zwar über beachtliche 32 Lackierkabinen. Aber auch hier wird noch rein manuell mit der Lackierpistole gearbeitet. Ebenfalls in eigener Hand ist der Formenbau. Zudem stellt man die in vielen Bussen verbauten Sitze auch in eigener Regie her.
Und noch einen wesentlichen Unterschied zu Europa und sicherlich auch den USA gibt es: Zwar ist „Saftey first“ in El Salheya an allen Wänden plakatiert, jedoch in Sachen Lärm-, Gesundheits- und Umweltschutz hat, freundlich formuliert, MCV noch viel nachzuholen, um auch nur in Ansätzen ans europäische Niveau zu kommen.
Anders sieht es bei der Ingenieurskunst aus. Im Busbau braucht sich Ägypten im hochwertigeren Segment nicht zu verstecken. Auch im E-Bussektor konnte man schon erste Erfahrungen sammeln. 110 Hochboden-E-Busse fahren bereits im ÖPNV von Kairo und Alexandria. Eine weitere Ausschreibung in Kairo für ca. 100 E-BTR-Busse konnte man darüber hinaus für sich entscheiden.
Mit der Gründung der MCV Deutschland GmbH 2022 gehen die Ägypter nun den deutschen Markt an. Im Fokus stehen dabei aus – schließlich der Vertrieb und die Instandhaltung von Stadt- und Überlandbussen mit batterieelektrischem Antrieb und Brennstoffzelle. Im ersten Schritt stehen dabei zwei Fahrzeugkonzepte, mit denen man auf dem deutschen Markt starten will: In diesem Jahr kommt der 12 m lange, vollelektrische Batterie-Niederflurbus C127 EV nach Deutschland, der durchaus den VDV-Vorgaben entspricht. Ein VDV-Team war bereits in Ägypten und hat sich die Fertigung angeschaut.
Ende 2023/Anfang 2024 soll dann ein LE-Brennstoffzellenbus mit 12 m Fahrzeuglänge folgen, der sich bereits in Ägypten in der Entwicklung befindet. Mittelfristig kommen bei den Batteriebussen dann auch 10-m- und 18-m Modelle auf den Markt.
MCV Deutschland in Bestwig im Hochsauerlandkreis sitzt zurzeit noch unter dem Dach der STS Schneider Technik und Service GmbH, dem Hauptinvestor beim deutschen Vorhaben. 2024 soll aber in Meschede an der A46 (Dortmund-Kassel) ein neuer Betriebshof bzw. die Zentrale mit einem Investitionsvolumen von über 7 Mio. Euro entstehen. Gebaut wird hier u. a. auf 20.000 m2 Grundstücksfläche ein dreistöckiges Bürogebäude mit 300 m2 Nutzfläche, ein Hochregallager mit 400 m2 und eine Auslieferhalle.
Inhaltlich wird es zwei Servicebereiche geben für Hochvolt- und Wasserstofffahrzeuge. Erstellt werden zudem sechs Ladepunkte (150 kW) sowie eine H2-Tankanlage mit 350 und 700 Bar. Noch steht die E-Bus-/Wasserstoffbus-Offensive von MCV in Deutschland wirklich ganz am Anfang. Noch besteht das deutsche Team gerade einmal aus fünf Mitarbeitern, die vor allem viel Iveco-Bus- und E-Bus-Erfahrung miteinbringen. Noch brauchen die deutschen MCV-Kollegen sehr viel Engagement, Überzeugungskraft, Mut und auch eine ordentliche Portion Glück, damit dieses Pflänzchen, das kaum gepflanzt ist, sich entwickeln kann und irgendwann in naher oder ferner Zukunft Früchte tragen soll. Unrealistisch ist das aber nicht, siehe das Erfolgsbeispiel UK, wo MCV mehrere Hundert (Diesel-)Busse pro Jahr verkauft.
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