Mit dem MAN Lion’s Intercity LE versucht der Hersteller aus Dachau, auf dem Markt der Low-Entry-Busse zu punkten. Wir brachen jetzt mit dem durchweg attraktiv gestalteten Bus zu einer Spritztour an den Tegernsee auf.
Der MAN Lion’s Intercity LE, der Name ist Programm, ist sowohl für den Stadt- als auch den Überlandeinsatz gedacht. Das Segment der Low-Entry-Busse gilt zurzeit als Wachstumsmarkt. Laut MAN ist der Lion’s Intercity LE dabei „die beste Lösung aus zwei Welten – sitzplatzoptimiert und mit den Genen von Low Floor und Überlandkonzepten“. Er setze Maßstäbe in der Klasse und das auch optisch.
Das wollten wir uns nun genauer anschauen. Wir unternahmen daher vor kurzem mit dem neuen, so angepriesenen Löwen von Dachau aus einen Ausflug an den Tegernsee. Unsere Reise ging dabei durch den Stadtverkehr von Dachau und München sowie durch das bayerische, durchaus malerische Alpenvorland bis zum Eiszeitsee. Nach einem deftig-bayerischen Mittagsmahl im Bräustüberl und einem kurzen Gang am Seeufer rollten wir im Anschluss wieder gegen Dachau – das dann teils via Autobahn.
Von den Verkehrssituationen war ziemlich viel von dem dabei, was ein Buschauffeur im Stadt- und Landverkehr so erleben kann. Stopp-und-Go in München, Neuorientieren in herausfordernden Verkehrslagen, Umfahren von zu niedrigen Brücken, Unterfahren von knapp bemessenen Straßenübergängen – die Antennen lassen grüßen – Wendemanöver in engen Gassen und Landstraßenfahrten durch wunderschönes alpines Gelände.
Der Lion’s Intercity LE ist ein Zwitterwesen, das mehrere Rollen ausfüllen und zugleich ein preissensibles Basismodell darstellen soll. Das ist allerdings unser Vorführer, Nr. 4 aus der Produktion, definitiv nicht, dazu war er viel zu hochwertig ausgestattet. Fahrtechnisch erwies er sich auf unserer Spritztour als ein sehr angenehm zu fahrender Bus, agil und wendig. Allerdings waren wir nur mit sechs Personen an Bord unterwegs auf den sich durch das Alpenvorland mäandernden Landstraßen mit ihren vielen Anstiegen.
Im Prinzip besteht der Intercity LE aus dem Lion’s City, hier wurde der Niederflurvorderwagen ausgeborgt und dem Lion’s Intercity, der seinen Hinterwagen samt Hochboden hergeben musste. Aus diesem schraubten die Techniker nun den LE. Die Vorteile des Hochbodenhinterteils: Damit lassen sich einerseits mehr Sitze in Fahrtrichtung realisieren (+10 gegenüber Lion‘s City) und andererseits weniger komplexe und damit kostengünstigere Hypoidachsen verbauen. Preislich kann, laut MAN, das Modell durch diese Modulbauweise zudem deutlich unter Low-Floor-Bussen positioniert werden, die von einem reinen Niederflur-Stadtbus-Baumuster abgeleitet sind.
Beim Zusammenschmieden der beiden unterschiedlichen Fahrzeuge bzw. Bushälften achteten die Konstrukteure aufs Gewicht des Neuen. Die Zweiachser bringen 11,7 bis 12 t auf die Waage. Gewichtssenkungen gelangen dabei auf verschiedenen Ebenen. Die verwendeten Kompositmaterialien im Dach, wie aus dem Sandwichdach des Lion’s City bereits bekannt, sind gegenüber einem Stahldach um ca. 150 kg leichter. Auch das Leiterrahmengerippe aus dem Lion’s Intercity im hinteren Fahrzeugteil verlor, aufgrund des Verzichts auf einige massive Stahlprofile, gleich gut 300 kg an Gewicht.
Auch die Kunststoffseitenwände, die man optional ordern kann, sparen noch etwas an Masse. Bug- und Heckklappe verzichten auf einen Stahlrahmen und bestehen nun aus einer leichteren, stabilen Dünnschicht-GfK-Struktur. (Allerdings lässt sich die Motorklappe nur bis in die Waagerechte öffnen und ist dadurch ein Garant für die eine oder andere Beule beim Servicepersonal.) Und je leichter ein Fahrzeug ist – bitte bei gleicher Stabilität und Haltbarkeit – desto sparsamer ist es unterwegs. Der Lion’s Intercity LE ist zudem in Modulbauweise aufgebaut. Das erlaubt den Kunden mehr Antworten bei der Frage, ob sie ihren Bus mehr für Stadt oder Land konfigurieren lassen wollen.
Insgesamt wird es sechs Grundvarianten geben: Zwei überlandorientierte Versionen MAN Lion’s Intercity LE 12 (12,44 m) und MAN Lion’s Intercity LE 13 (13,14 m), die bereits jetzt im Handel sind. Die gleichlangen stadtorientierten Versionen des MAN Lion’s Intercity LE sind ab drittem Quartal 2022 bestellbar und sollen 2023 an die Kunden gehen. Die beiden 14,46 m langen Dreiachser MAN Lion’s Intercity LE 14 folgen im Jahr 2024.
Bei den Bussen für die Stadt sind zweiflügelige Innenschwenktüren vorgesehen. Bei der Überlandversion kommen Außenschwenktüren zum Einsatz – an der vorderen Tür ein- oder zwei – flügelig, an der mittleren Tür immer zweiflügelig. Die Dreiachser für die City bekommen zudem eine dritte Tür spendiert. Für alle Intercity LE stehen darüber hinaus zweiflügelige elektrische Schwenk-Schiebetüren zur Verfügung.
Je nachdem, wo der Schwerpunkt des Arbeitseinsatzes liegt, gibt es auch eine unterschiedliche Bereifung. Bei der überlandorientierten Version sind das Reifen der Dimension 295/80 R22.5, die stadtorientierte Version ist mit Reifen der Dimension 275/70 R22.5 ausgestattet. Optisch kommt der Intercity LE, hier mit einer Fahrzeuglänge von 13 m, in der Tat sehr attraktiv daher. Die Folierung macht es für den Betrachter schnell deutlich: Das Fahrzeug ist sowohl für die City als auch für das Umland gedacht. Auf den Fahrzeugflanken wechseln sich blau – gehaltene Hochhäuser mit einer gering besiedelten Hügellandschaft ab, die ebenfalls in blau gezeichnet ist. Das Motiv wiederholt sich in konzentrierter Form ebenfalls auf dem Heck.
Seit 2017 werden die MAN-Busse im sogenannten Smart-Edge-Design gehalten, das sich auch bei dem Lion’s Intercity LE wiederfindet.
Im Kern handelt es sich dabei um ein Design mit „klaren, dynamischen Linien, Fasen und Kanten“ die über das ganze Fahrzeug verlaufen. Bug und Heck haben bei dieser Formensprache eine besondere Bedeutung. Sie sollen dem Bus eine elegante, dynamische und sympathische Dominanz geben.
Ein Beispiel fürs Smart-Edge-Design: Der Übergang der A-Säule ins Dach besteht nicht aus einem klassischen 90-Grad-Winkel, sondern nimmt einen schräg verlaufenden Aufschwung, bevor es in die horizontale Dachlinie übergeht. Die obere Begrenzung der Seitenwand ziert zudem eine zusätzliche Lichtkante, die über die ganze Seite des Busses geht. „So entstehen eine optische Struktur und klare Proportionen, die dem Bus die typische und zeitlose MAN-Designsprache im Exterieur und Interieur verleihen“, erläutert Stephan Schönherr, der als Vice President Styling Bus das Omnibus-Design für die Marken MAN und Neoplan verantwortet.
Die Frontmaske ist „bewusst sportlich schlank und horizontal gehalten, um eine kraftvolle Erscheinung zu erreichen“. Die schwarz gehaltenen Bereiche fließen MAN-typisch über die Scheinwerfer hinweg und betten diese sozusagen ein. „Sie laufen skulptural um die Bugecken herum in die Seitenwände ein und lösen so die klassische Busgestaltung gewissermaßen auf. Die typische schwarze MAN-Bugblende ist nun stärker nach unten zugepfeilt und korrespondiert so ideal mit der deutlich akzentuierten horizontalen Fläche, die sich nach unten anschließt und in den Kanten unter den Scheinwerfern in eine dreidimensionalen Form mündet. Ein kleiner, in Wagenfarbe lackierter Frontspoiler unterstreicht dieses sportliche Frontdesign im Stil einer edlen Signatur und zeitgemäßen Gestaltung“.
Soweit die Aussage der Designer. Stephan Schönherr: „Die konsequente Weiterentwicklung unseres erfolgreichen MAN Smart Edge-Designs lässt das preissensible LE-Segment in völlig neuem Glanz erscheinen. Auch praxisgerechte Busse dürfen hochwertig und attraktiv gestaltet sein. Der neue MAN Lion’s Intercity LE vereint das Beste zweier Welten auf die schönste Art und Weise!“
Man muss dem Vater der Busgestaltung nicht bei jedem Wort folgen, aber die Fotos dokumentieren, dass es sich um einen eleganten Bus handelt. Auch der Innenraum wurde komplett überarbeitet und ist sehr flexibel. Je nach Kundenwunsch bietet der Niederflurbereich z. B. Podeste; man kann den Bus aber auch ohne sie bestellen. Und ebenso kann man die Gepäckablagen in unterschiedlichen Varianten und Höhen ordern. Ähnliches gilt für die Bestuhlung. Wobei in unseren Vorführer hochwertige Sitze (Intercity Basic) integriert wurden und die nach unten geschlossene Hutablage auch Servicesets pro Sitzreihe aufweisen. Hier sitzen Leselampen, Luftdüsen und Serviceruftaste. Eine dezente Ambientebeleuchtung steht als Option zur Verfügung. USB-Schnittstellen sitzen pro Sitzreihe in den Fahrzeugwänden.
Die direkte LED-Beleuchtung in warmweiß sorgt für eine gleichmäßige Ausleuchtung im Innenraum und schafft ein warmes und angenehmes Ambiente. Man kann aber auch eine leistungsstärkere 100-Lux-Beleuchtung ordern. Das Farbkonzept der Sitze ist weitgehend in hellem Froschgrün gehalten und die Sitze verfügen über Dreipunktgurte. Darüber hinaus lassen sich ihre Lehnen verstellen – sprich das hier verbaute Gestühl orientiert sich eher an Sitzen, wie man sie in Reisebussen findet. Ab Tür 2 führen drei und am Schluss noch einmal zwei Stufen ins erhöhte Heck bzw. zur letzten Sitzreihe mit fünf Sitzen.
Im Stellplatzbereich von Kinderwagen und Rollstuhl sind vier Klappsitze montiert, zwei in Fahrtrichtung und zwei gegen die Fahrtrichtung. Die in diesem Bus rückwärts verbauten Klappsitze sind aber zum Sitzen ungenügend. Während man sich bei den beiden anderen Klappsitzen mit dem Rücken immerhin gegen eine senkrecht verlaufende Platte lehnen kann, muss man sich vis-à-vis in die Ausschalung der Lehnen der anschließenden Sitzreihe „einbuckeln“. Bequem ist das nicht und hier will kein Fahrgast mehr als wenige Minuten kauern.
Zur Auswahl stehen grundsätzlich zwei Armaturentafeln. Entweder man setzt auf die des Lion’s Intercity oder nimmt die VDV-konforme aus der neuen Lion’s City Generation. Auch wenn der Vorderwagen vom City stammt, so ist der Fahrerarbeitsplatz nicht ganz identisch. Er wurde gegenüber dem Niederflurwagen um 120 mm angehoben. Damit sitzt der Chauffeur auf Augenhöhe zum einsteigenden Fahrgast. Getrennt von ihm wird er durch eine Fahrertür mit Polycarbonatscheibe. Allerdings war unserer Vorführer noch ohne diese Scheibe unterwegs. Zudem lässt sich der Sitz im Vergleich zum MAN Lion’s Intercity um 50 mm weiter nach hinten verstellen.
Das Farbkonzept in der Kabine entspricht dem des Fahrgastraums: Oben helle Farben, weiter unten oder dort, wo erkennbar viel Verschmutzung droht oder Technik untergebracht ist, herrschen eher dunkle Farbtöne vor. Neben den klassischen Bedienfeldern kann optional ein Zusatzinstrumententräger rechts für die Aufnahme zusätzlicher Monitore usw. bestellt und verbaut werden. In der Seitenkonsole links neben dem Fahrer findet dieser u. a. einem Getränkehalter neben USB-Anschluss samt Ablagefläche fürs Smartphone. Weiterer Stauraum, wie z. B. abschließbares Staufach für die Fahrertasche, Abfalleimer und Netztasche in der Fahrertür lassen sich bestellen.
Serienmäßig gibt es nun ein Vier-Zoll-Farbdisplay (mit Haltestellenmenü) im Erscheinungsbild wie es die Reisebusse kennen. Zudem ist links neben dem Armaturenträger noch Platz für einen weiteren Monitor.
Im Motorraum arbeitet der D1556 LOH, der von den neuen Stadtbussen bekannt ist. Der Sechszylinder mit 9 l Hubraum wird mit 280 PS (206 kW), 330 PS (243 kW) und 360 PS (265 kW) angeboten. Für die kommenden Dreiachser wird die kleine Motorisierung nicht zur Verfügung stehen. Das maximale Drehmoment liegt zwischen 1200 und 1600 Nm. Unser Bus war mit 330 Pferde stärken unterwegs. Auch wenn es sich um klassische Dieselmotoren handelt, kann man die Triebwerke ohne weitere Anpassungen mit hydrierten Pflanzenölen und synthetischen Kraftstoffen betreiben und so etwas für die Umwelt tun. Ab 2023, und damit pünktlich zum Start der stadtorientierten Version, lässt sich der D15-Motor für die City-und Intercity-Varianten optional mit dem MAN-Efficient-Hybrid-System ergänzen, das zur Reduktion des Kraftstoffverbrauchs und damit der Emissionen beiträgt. Bei dieser Motorisierung ist dann auch eine Start-Stopp-Funktion serienmäßig. Diese Hybrid-Busse besitzen einen Generator mit 12 kW und 40-Wh-Akkus. Rekuperierte und gespeicherte Bremsenergie stellt die Bordnetzversorgung unabhängig vom Motor sicher und wirkt als Booster beim Anfahren mit bis zu 220 Nm (Mild-Hybrid).
Als Getriebe kann man das Voith DIWA 6 (Viergang) oder das neue ZF Ecolife 2 (Sechsgang) bestellen. Beides sind Automatik-Wandlergetriebe, wobei in unserem Testbus das Ecolife 2 arbeitete und das einwandfrei. Die Schaltvorgänge waren, wie von MAN versprochen, weich und ohne Lastunterbrechungen. Übrigens: Auf ein manuelles Schaltgetriebe verzichtet der Fahrzeugbauer neuerdings komplett.
In puncto Sicherheitsausstattung ist noch so manches Option, was besser schon Serie wäre. Zur Serie zählen ABS, ASR, ESP, Bremsassistent und Feuerlöschanlage. Option sind abstandsgeregelter Tempomat (ACC) und Spurhalteassistent (LGS) in haptischer oder akustischer Version sowie Reifendrucksensor (TPM) und Abbiegesystem mit Fußgängererkennung.
Länge/Breite/Höhe: 13.149/2.550/3.425 mm
Radstand: 7.000 mm
Motor: 6-Zylinder-Dieselmotor D1556 (D15), 9 l
Leistung: 243 kW (330 PS)
Drehmoment: 1.400 Nm bei 900-1.600 min-1
Abgasstufe: Euro 6; Abgasnachbehandlung SCRT-System
Kraftstoffbehälter: 350 l Dieseltank; 40 l AdBlue-Tank
Getriebe: Automatikgetriebe ZF 6 AP 1420 B EcoLife 2 mit integriertem Retarder
Getriebe-Schaltung: D/N/R/1/2/3
Achse (v/h): Vorderachse mit Einzelradanlenkung, Hypoidantriebsachse HY-1350-B-03
Achsübersetzung: i=4,56
Reifen (Überland, Stadt): 295/80 R22.5, 275/70 R22.5
Einschlagwinkel Räder: 56 Grad/53 Grad mit Überlandbereifung
Wendekreis: 23,76/24,36 m
Fahrerassistenzsysteme: ESP, Reifendrucküberwachung, Tempomat, Automatische Fahrlichtschaltung/Scheibenwischerregulierung
Türen: Tür 1 & Tür 2, Außenschwenktüren, pneumatisch angetrieben
Sitz-/Stehplatzkapazität: 53 Sitze, 21 Stehplätze
Fahrersitz: Isri ProActive 2 mit 3-Punkt Sicherheitsgurt
Fahrgastsitze: Intercity Basic mit 3-Punkt-Sicherheitsgurt
Barrierefreiheit: Rollstuhlplatz gegenüber Tür 2, elektrische Rampe an Tür 2 mit Außentaster für Rampenanmeldung
Klimaanlage: Valeo Revo (max. Kälteleistung 32 kW
Bildquelle: Dirk Sanne
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