Die VAG auf dem Weg ins E-Zeitalter

Die Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg (VAG) gehört zu den städtischen Unternehmen, die sich nicht nur der Null-Emissionspolitik verschrieben haben, sondern auf diesem Weg schon ein gutes Stück unterwegs sind. Wir berichten über den Stand der Dinge.

Vor fünf Jahren startete der städtische Eigenbetrieb VAG in der alten Reichsstadt in das E-Bus-Zeitalter. Nürnbergs Busbetrieb, der in diesem Jahr auf 100 Jahre Unternehmensgeschichte zurückblicken kann, betreibt über 50 Buslinien in und rund um Nürnberg. Hinzu kommen fünf S-Bahn- (38,4 km, 48 Bahnen) und drei U-Bahn-Linien (38,2 km, 100 Bahnen); über Erfahrungen mit strombetriebenen Fahrzeugen verfügt man also schon seit den 1979igern.

205 eigene Busse umfasst die VAG-Flotte, die im Liniendienst noch Unterstützung von privaten ÖPNV-Betreibern erhält. Die Masse der Fahrzeuge werden mit Diesel und einige auch mit Biogas betrieben. In den 2030er Jahren will man den Fuhrpark komplett auf Elektroantrieb umgestellt haben. Schon seit 2017 beschäftigt man sich mit dieser politisch gewollten Herausforderung intensiver. Ein Jahr später war es dann soweit: Mit einem Solaris Urbino electric traf der erste E-Bus in Nürnberg ein. Für ihn errichtete man eigens eine Ladesäule von 150 kW, die die Fahrzeugbatterie in rund 1,5 Stunden von „null auf 100 %“ aufladen konnte.

Der Solaris Urbino electric kam zu erst

Mit dem Elektro-Solaris, der Urbino electric kam 2014 auf den Markt, sammelte man nun seine ersten Erfahrungen und lernte die Kinderkrankheiten dieser Technik kennen. Trotzdem, so heißt es aus Nürnberg, war man mit dem Fahrzeug in der Summe zufrieden. Zwei Jahre später folgten sechs weitere E-Busse aus dem Hause Solaris, darunter auch zwei Gelenkbusse. Diese Fahrzeuge, gefördert mit 1,5 Mio. E durch den Freistaat Bayern, bildeten den Grundstock. Aktuell sind es 64 E-Busse, die Flotte wird zunehmend aufgestockt.

In Kooperation mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg führten die Beteiligten zudem eine Machbarkeitsstudie durch, die bestätigte, dass eine Umstellung auf einen vollständigen E-Bus-Betrieb unter den geplanten bzw. gedachten Rahmenbedingungen realisierbar sei. Allerdings auch unter der Voraussetzung, das für die Beschaffung der Fahrzeuge entsprechende Fördermittel bereit stehen. Denn E-Busse kosten auch heute noch mindestens das Doppelte wie vergleichbare Dieselfahrzeuge.

Gemeinsam mit dem Schwesterunternehmen, dem regionalen Energieversorger N-Ergie, stellte man des Weiteren ein Konzept zur energiewirtschaftlich optimierten Strombeschaffung auf, um die Betriebskosten der E-Busse möglichst gering zu halten. Sprich, die Schwester kauft für die VAG möglichst preiswert Strom auf den Spotmärkten zu tagesaktuellen Niedrigpreisen ein.

Die zusätzliche Herausforderung dabei ist es, die Ladevorgänge der Busse mehrheitlich in Schwachlastzeiten bzw. Zeiten mit einem großen Stromangebot zu legen. Nur dann lässt sich das „Billig-Strom-Konzept“ für die E-Busse auch realisieren. Diesen Abgleich soll zunehmend eine Ladesoftware übernehmen.

Dass die VAG heutzutage aufgrund einer Photovoltaikanlage auf den Schutzdächern der E-Bus-Parkplätze zusätzlich Stromerzeugt, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Damit deckt die VAG aber immerhin oft fast den Strombedarf der Werkstatt ab.

Deoptladung oder Pantograf?

Im nächsten Schritt bei der Verkehrswende im Nürnberger ÖPNV war die Entscheidung, wie man die E-Fahrzeuge mit Energie versorgen wollte. Die Depotladung ist dabei in Nürnberg das Konzept der Wahl. Die Fahrzeuge seien so flexibler einsetzbar und auf zusätzliche Ladestruktur im öffentlichen Raum kann verzichtet werden. Der Betriebshof Schweinau wurde im Anschluss zum zentralen Ladepunkt für E-Busse ausgebaut, dem sogenannten eBus-Port. Hier befinden sich zudem die zentrale Omnibuswerkstatt, die Betriebswerkstatt und eine große Abstellhalle.

Neben dem zentralen Konzept entwickelten die Fachleute auch das Betriebshofmanagement neu. Dieses garantiert, dass die Busse, die an den Start gehen, auch mit ausreichend Ladekapazität losrollen. Ein Teil der E-Busse kommt zudem nach der Verkehrsspitzen am Morgen zurück auf den Betriebshof und werden im Laufe des Vormittags nachgeladen. Danach stehen sie mit ausreichend „Saft“ in Batterien für die weitere Linientätigkeit wieder zur Verfügung.

Zudem wurden die Fahrzeuge nicht einzelnen Linien fest zugeordnet, sondern im Fokus steht, dass alle Fahrzeug im Jahr mit etwa der gleichen Laufleistung von angestrebten 60.000 km unterwegs sind. Damit hält sich die Abnutzung der Busse über die Jahre in der Waage.

Nürnberg hat eigentlich einen Vorteil bei dem aktuellen Umrüsten auf den E-Bus. 90 % der Tageslinien haben maximal eine Reichweite von 250 km. Diese 250-km-Kurse müssen die Fahrzeuge auch an kalten Tagen abdecken können. Ein Ziel, dass mittlerweile nahezu jeder Busbauer mit seinen Standardbussen der 12- und 18-m-Klasse verspricht. Allerdings, so die VAG-Erfahrung: „Mit den heute im Betrieb befindlichen E-Bussen ist das noch nicht immer sichergestellt“. So die sanft formulierte Kritik des Verkehrsbetriebs. Hier hofft die VAG auf ein besseres Leistungsportfolio bei der nächsten bestellten Fahrzeuggeneration, was keine unberechtigte Hoffnung ist.

Bei den längeren Linien über 250 km werden in den nächsten Jahren nach dem Ausscheiden der Verbrenner-Busse die Streckenführung verkürzt, um sie so E-Bus-tauglich zu machen. Sicherlich keine Lösung auf Dauer; aber auch hier kann man darauf bauen, dass die Fahrzeugindustrie mittelfristig Busse mit ausreichend Reichweite auf den Markt bringt.

Neue Überdachungen

Für den ersten E-Bus-Fuhrpark wurde im eBus-Port 2021 für 8 Mio. Euro 39 überdachte Abstellmöglichkeiten geschaffen, wo zugleich geladen werden kann. 28 von ihnen sind groß genug, um Gelenkbusse aufnehmen zu können. Die Bumerang-förmigen, offenen Überdachungen haben eine Gesamtfläche von 3700 m2. Hier wurden gleichzeitig 2,1 km an Starkstrom- und 2,5 km an Datenkabeln verlegt. 20 Charger (150 kW mit je 2 Ladepunkten) und 39 Dispensoren gibt es. Die Ladekabel baumeln dabei frei von den Decken der Überdachung.

Aufgabe der Fahrer ist es, die Busse hier abzustellen und eigenhändig an den Strom zu hängen. (Bei den Diesel- und Erdgasbussen übernimmt das Werkstattpersonal die Betankung.)

Das ist noch nicht alles. Aktuell baut man die bestehende Abstellhalle auf dem Betriebsgelände für 5 Mio. Euro um. Sie wird zur offenen E-Bus-Garage, bekommt allerdings massive Brandschutzwände und -tore, um im Unglücksfall zumindest ein Teil des Fuhrparks vor einem sich ausbreitenden Feuer schützen zu können. Es werden dabei vier vollwertige Brandabschnitte entstehen.

Am Ende wird sie 171 E-Bussen (72 Solo- & 99 Gelenkbussen) Platz bieten. Die Stromversorgung ist schon gesetzt. Vor den Toren des Betriebshofes gibt es seit kurzem eine Leitung mit 6,4 MW, die sich noch auf ca. 10 MW aufstocken lässt.

Auf einem Nachbargrundstück zum eBus-Port sollen in Zukunft weitere Stellflächen für Elektrobusse, Verwaltungs- und Sozialgebäude entstehen sowie die Fahrschule ihren Platz finden. Die Einrichtungen für den Betrieb von Diesel- und Erd-/Bio-Gasbussen sollen dann nach und nach zurückgebaut werden.

Die politisch gewollte Umrüstung des ÖPNV in Nürnberg hat natürlich auch eine ökologische Grundlage. Nürnberg leidet, wie viele Großstädte, unter einer schadstoffbelasteten Luft und – was weniger im Fokus der Umweltdiskussionen steht – unter Geräuschemissionen. Der Einsatz von E-Bussen kann dabei nur ein Teil der Lösung sein, dessen ist man sich sowohl im Nürnberger Stadtrat als auch bei der VAG bewusst.

Weniger Emissionen

Aber es gibt eine Modellrechnung, was die E-Buss dazu beisteuern können: Auf die Dauer von 12 Jahren Nutzungsdauer gerechnet, sparen die Ende 2023 verfügbaren 92 E-Busse im Vergleich zum Einsatz von Dieselfahrzeugen ca. 75.000 t CO2 und ca. 228 t NOx ein.

Neben dem Straßenverkehr verschmutzen in Nürnberg ebenfalls die Emissionen aus Gewerbe, Industrie sowie aus den Heizungsanlagen der Wohnhäuser die Luft, was besonders bei enger Bebauung mit geringen Luftaustausch zu hohen Werten von Feinstaub und Stickstoffdioxid führen kann. Diese liegt in der Frankenstadt an der Pegnitz demnach im Jahresdurchschnitt bei 11 μg/m³, was laut WHO noch als moderat gilt.

Übrigens: Laut Focus online zählt die European Environment Agency (EEA) Gelsenkirchen, Dortmund und Essen zu den Städten mit der höchsten Luftverschmutzung. Kiel, Göttingen und Lübeck haben demnach die geringsten Belastungen gefolgt von Freiburg im Breisgau, Hannover, Kempten und München.

Die WHO definiert eine Feinstaubbelastung von über 15 μg/m³ als schlecht, unter 5 μg/m³ als gut. Gemäß dieser Quelle liegen die durchschnittlichen Feinstaubkonzentrationen hierzulande in den Städten bei 6,9 bis 12,4 μg/m³.

VAG Nürnberg – Die Flotte

Die VAG besitzt aktuell 205 eigene Busse. Hinzu kommen ca. 40 Fahrzeuge von privaten Auftragnehmern, die für die VAG fahren. 101 Dieselbusse stammen aus den Baujahren 2011 bis 2019. Zusätzlich sind 40 Erd-/Biogasbusse aus den Jahren 2012 bis 2014 unterwegs. Diese werden laut Plan in den Jahren 2026/27 aus dem Betrieb gehen. Die letzten Dieselfahrzeuge werden 2030/31 in den Ruhestand versetzt.

An Elektrobussen sind es mittlerweile 64 Stück, die im Einsatz sind (92 Ende 2023). Darunter 25 Solo- und 39 Gelenkbusse. Noch immer unterwegs sind die Solaris E-Busse aus den Jahren 2018 und 2020. 2021/22 kaufte man 11 Solo- und 28 Gelenkbusse des Typs Lion’s City 12 E/18 E. Mit MAN hat die VAG seit den 1980iger Jahren ein besonderes Treuverhältnis, da viele neue MAN-Technologien über die VAG in Nürnberg erprobt wurden und werden.

Ende dieses Jahres kommt auch Daimler Truck zum Zuge. 16 Solo- und 30 Gelenkbusse des Typs eCitaro stehen an. Für den Zeitraum 2024/25 ist ein BNDV-Förderauftrag von 18 Mio. Euro für 52 weitere E-Busse bereits bewilligt. Welcher Hersteller hier den Zuschlag erhält, ist allerdings noch offen.

Die VAG will bis Mitte 2025 ca. 70 % der Flotte auf E-Mobilität ausgerichtet haben. Anfang 2030 soll es der ganze Fuhrpark elektrisiert sein.

Bildquelle: MAN Truck & Bus

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