Wrightbus in Nordirland stellt seit 1946 Nutzfahrzeuge her. Nach der Brexit-bedingten Insolvenz straffte man das Fertigungsprogramm und setzt verstärkt auf alternative Antriebe.
Im Vereinigten Königreich ist Wrightbus traditionell eher durch seine Zweiachsdoppeldecker bekannt (erste Dreiachser für den traditionsreichen Markt in Hong Kong sind gerade in Entwicklung). Der ikonische Nachfolger des berühmten roten Routemaster für London, der „Boris Bus“ von 2012 gehört mit 600 Exemplaren zum automobilen Nationalerbe. Derzeit ist das zweigeschossige Standardmodell „Streetdeck“, das 2014 gelauncht wurde, als Micro-Hybrid-Diesel (Anteil am Verkauf nur noch rund 10 %), als Elektroversion (auch als offener Sightseeing-Wagen) und seit 2021 auch als erster Wasserstoffdoppeldecker weltweit verfügbar.
Die Dieselmodelle GB Hawk und Ultroliner W/F spielen nur noch eine sehr untergeordnete Rolle gegenüber den neuen „Kite Hydroliner“ und „Kite Electroliner“. Vorerst sehen die Wrightbus-Strategen um den langjährigen Technikchef Robert Frost gerade für den deutschen Markt den Hydroliner als das optimale Produkt, zumal Deutschland dem Königreich noch voraus sei in Sachen Wasserstoffwirtschaft.
Der Kite Electroliner soll später auf dem Kontinent folgen, so auch ein in England eher untypischer Gelenkbus, mit dem Wrightbus schon 2001 für London experimentierte (vor dem Mercedes-Benz Citaro G-Debakel). Der Zweiachser „Kite Hydroliner“ kommt nach Deutschland in seiner 12-m-Version, aber auch 10 und 11 m sind verfügbar. Die Karossen in langlebiger Aluminiumschraubbauweise sitzen auf einem Stahlchassis, was die Busse entgegen der Erwartung relativ schwer macht (ein uns präsentierter Linkslenker wog rund 13,7 t). Die Busse mit der markanten, etwas barock geratenen Front (Codename „The Stealth“) sind als Niederflurversionen ausgeführt, die aber im Heck über viele 120 mm hohe Podeste verfügen – Batterien und Brennstoffzelle sitzen in bewährter Manier auf dem Dach, nicht wie beim Streetdeck teilweise im Boden.
Die rund 30 kWh fassenden LTO-Pufferbatterien kommen von CATL oder Forsee Power, die 70 bzw. 100 kW-Brennstoffzelle als neueste Generation von Marktführer Ballard.
Positiv vermerkt haben wir bei einer ersten Testfahrt auf der „falschen Straßenseite“ den potenten und geräuscharmen VEDS-Antrieb von Voith mittels einem in der Spitze 250 kW starken Synchron-Zentralmotor (Drehmoment: 1750 Nm am Motor, 10800 Nm am Rad). Mit einer maximalen Bestückung von sieben längs montierten Wasserstofftanks (350 bar) soll der Bus rund 1000 Kilometer weit kommen und bis zu 90 Personen befördern können (wobei unser Testwagen nur 76 Pax auswies).
Auch eine Reisebusversion, geplant für 2026, deren erste Konzeptstudie gerade gezeigt wurde, soll ähnliche Reichweiten haben. Die Geräuschkulisse im modernen Cockpit mit Conti-Digital-Dashboard erlebten wir als überraschend angenehm, auch die ZF-Vorderachse ließ wenig Ungebührliches verlauten. Die neuen, europäischen GSR-Vorschriften sind natürlich auch von Wrightbus einzuhalten, deren Hardware-Umsetzung hier und da jedoch etwas krude ausgefallen ist. Aber ohne diese Bauteile könnte der Vorteil des Standorts Nordirland, nämlich die zollfreie Lieferung in die EU als auch in die UK, nicht umfassend genutzt werden.
Autor: Thorsten Wagner
Bild: Einer der Linkslenker „Kite Hydroliner“ für die Kölner RVK kurz vor der Abnahme und unserer Testfahrt
Bildquelle: Thorsten Wagner
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