VDV: Wirtschaftliche Lage bleibt im ÖPNV angespannt

Im Jahr 2024 nutzten nach Berechnungen des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) rund 9,8 Mrd. Fahrgäste die Angebote des deutschen ÖPNV. Dies entspricht einem Zuwachs von etwa 300 Mio. Kundinnen und Kunden im Vergleich zum Vorjahr. Damit liegt die Branche noch immer unter dem Fahrgastaufkommen aus dem Rekordjahr 2019, als über 10,4 Mrd. Fahrgäste in Bussen und Bahnen unterwegs waren. Die wirtschaftliche Lage der Verkehrsunternehmen und Verbünde bleibt indes trotz des Kundenzuwachses extrem angespannt. Dies liegt unter anderem an den aufgrund des Deutschland-Tickets sinkenden Fahrgeldeinnahmen und an deutlich gestiegenen Personalkosten, wie der Verband mitteilte.

VDV-Präsident Ingo Wortmann kommentierte die Entwicklungen wie folgt:„Die gute Nachricht zuerst: Es fahren erneut mehr Menschen mit dem ÖPNV. Die sich fortsetzende Erholung am Fahrgastmarkt, die in erster Linie dem Deutschland-Ticket zu verdanken ist, hat aber auch eine erhebliche Schattenseite: Denn durch das preislich sehr attraktive Deutschland-Ticket kaufen die Kundinnen und Kunden immer seltener andere Ticketangebote, sodass unsere Einnahmen in diesen Segmenten im Vergleich zum Vorjahr um 3,2 Mrd. Euro zurückgegangen sind. Hinzu kommen die mit rund 11 % im letzten Jahr deutlich gestiegenen Personalkosten. Dies sowie die angespannte Haushaltslage in den Kommunen führt insgesamt dazu, dass sich die wirtschaftliche Lage des deutschen ÖPNV immer weiter zuspitzt. Erhebliche Einsparungen und drohende Abbestellungen von Verkehren gehören inzwischen zum Alltagsgeschäft in unseren Unternehmen. Wir müssen hier gemeinsam mit der Politik dringend und nachhaltig gegensteuern. Das attraktivste Ticket nutzt uns und den Fahrgästen nichts, wenn am Ende weniger Busse und Bahnen fahren, weil wir das Angebot nicht mehr finanzieren können.“

Aktuell besitzen etwa 13,5 Mio. Kundinnen und Kunden ein Deutschland-Ticket. Das meistgekaufte Produkt ist dabei mit großem Abstand die Standardversion des Tickets, das rabattierte Jobticket stagniert nach wir vor bei einem Anteil von rund 20 % an allen verkauften Deutschland-Tickets. „Das Branchenziel waren 15 Mio. Deutschland-Tickets zum Ende des Jahres 2024. Dieses Ziel haben wir um 10 % bzw. 1,5 Mio. Tickets verpasst. Der entscheidende Grund dafür ist, dass viele Unternehmen und Organisationen noch immer zögern, in das für ihre Mitarbeitenden preislich attraktive Deutschland-Ticket Job zu wechseln. Das ist nachvollziehbar, denn der Fortbestand des Deutschland-Tickets ab 2026 ist gänzlich unklar, weil es keine langfristige Finanzierungszusage des Bundes gibt. Für viele unserer Unternehmenskunden ist die fehlende Perspektive ab 2026 der Hinderungsgrund, um jetzt mit entsprechendem organisatorischen Aufwand zum Deutschland-Ticket Job zu wechseln. Die fehlende verbindliche Zusage des Bundes zu einer langfristigen Finanzierung bremst an dieser Stelle den weiteren Zuwachs beim Deutschland-Ticket“, so Ingo Wortmann.

Die Preiserhöhung von 49 auf 58 Euro, die zum Jahreswechsel vollzogen wurde, hat hingegen nur geringe Auswirkungen auf den Besitz oder Kauf des Deutschland-Tickets. Die Kündigungsquote liegt im Januar 2025 bei 8,1 %. Zum Vergleich: Im Jahr 2024 lag die monatliche Kündigungsquote bei rund 7 %. „Wir sehen definitiv keine Kündigungswelle durch die Preiserhöhung. Ein Preisanstieg um fast 20 % führt zwar naturgemäß dazu, dass Kunden auch deswegen das Deutschland-Ticket kündigen. Aber der Jahreswechsel ist schon immer ein Zeitpunkt gewesen, an dem Kundinnen und Kunden ihre Verträge danach prüfen, wo sie gegebenenfalls etwas sparen können. Deshalb sind in dieser Zeit die Rückgänge bei all unseren ÖPNV-Abos etwas höher als im restlichen Jahr. Das Deutschland-Ticket bietet für die Nutzerinnen und Nutzer zusätzlich den Vorteil, dass es monatlich kündbar ist. Das heißt, man kann flexibel und unkompliziert aus- und später wieder einsteigen“, so Wortmann.

Der durch Bund und Länder zu zahlende Ausgleich für die seit Einführung des Deutschland-Tickets entgangenen Einnahmen der Branche ist im Jahr 2024 deutlich gestiegen. Nach Berechnungen des VDV müssen für das vergangene Jahr mindestens 3,45 Mrd. Euro an entgangenen Einnahmen durch Bund und Länder ausgeglichen werden. Dies ist nur möglich, weil noch Restmittel aus dem 2023 für die Jahre 2024 und 2025 eingesetzt werden können. Eigentlich haben sich Bund und Länder auf einen maximalen Ausgleichsbetrag von jährlich 3 Mrd. Euro festgelegt, der je zur Hälfte gezahlt wird. Da das Deutschland-Ticket im Jahr 2023 erst im Mai eingeführt wurde, blieb am Jahresende rund 1 Mrd. Euro an Restmitteln übrig. Etwa die Hälfte davon fließt nun, zusätzlich zu den 3 Mrd. Euro, in den Ausgleich für das Jahr 2024.

„Im ersten vollständigen Jahr des Deutschland-Tickets bestätigt sich das, was wir als Branche von Beginn an prognostiziert haben: Die von Bund und Ländern jährlich zur Verfügung gestellten 3 Mrd. Euro werden dauerhaft nicht ausreichen, um den Verlust der Branche auszugleichen. Man darf auch den Ticketpreis nicht weiterhin überproportional erhöhen, denn sonst springen zu viele Kundinnen und Kunden ab, weil es preislich zu unattraktiv wird. Für eine langfristige Finanzierung des Deutschland-Tickets braucht es verbindlich zugesagte Mittel von Bund und Ländern in ausreichender Höhe und inklusive einer jährlichen Dynamisierung, damit das Ticket für die Fahrgäste preislich attraktiv bleiben kann. Dazu braucht es eine transparente und maßvolle Entwicklung des Ticketpreises, zum Beispiel gekoppelt an einen Preisindex, der sich an der realen Kostensituation unserer Branche orientiert“, erklärt Ingo Wortmann.

Quelle: VDV

Bild: Die wirtschaftliche Lage der Verkehrsunternehmen ist nicht befriedigend

Bildquelle: Dirk Sanne