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Deutsche Geschichte und Pfälzer Kulinarik

Kleine Erkundung der Pfalz. Eingeladen von Daimler ging es durch die Weinbauregion in Südwestdeutschland. Mit von der Partie u. a.: Andreas Türk, geborener Pfälzer und tief verwurzelt in seiner Heimat.

Die Pfälzer Mundart hat so ihre Eigenarten und unterscheidet sich, wie so oft bei deutschen Dialekten, von Ort zu Ort. Im Alltagsgespräch ist sie selten zu hören, aber wer sich durch die Pfalz touristisch bewegt, wird ihr früher oder später begegnen. Pfälzisch wird übrigens nicht nur in der Pfalz gesprochen, sondern bis ins heutige Saarland hinein. Auch 140 Jahre Zugehörigkeit zu Bayern sind an dieser Sprache nicht spurlos vorübergegangen und so heißt es nun: Na dann, „allerhopp“, auf geht’s zur Erkundung.

Unterwegs sind wir mit einem Tourismo M/2, einem Zweiachser mit etwas mehr als 13 m Länge. Mit an Bord sind zwei weitere Fachjournalisten sowie Michael Bauer, Geschäftsführer der Kamp Reisen GmbH, Nada Filipovic von Daimler Truck und Andreas Türk Omnibus-Versuchsingenieur im Daimler-Konzern und eben geborener Pfälzer. Gerade er und Michael Bauer kennen das Pfälzer Land und seine Eigenarten wie aus der Westentasche, was unserer kleinen Rundreise mit dem Tourismo einen entsprechenden touristischen Anstrich gibt.

Das Wetter zeigte sich allerdings die Tage nicht von seiner freundlichsten Seite, sondern herbstlich grau mit ordentlich „Rää“ dabei. Aber, wie heißt es so schön, es gibt kein falsches Wetter, sondern nur falsche Kleidung. Ein ordentliche Jacke und feste „Schlabbe“ gehören einfach im Herbst zur Grundausstattung.

Erstes Ziel unserer Ausflugsfahrt von Mannheim (kurpfälzisch Mannem) aus war das Weingut Reibold bei Freinsheim. Hier, in seinem idyllischen Weinbergsgarten begrüßte uns der Winzer Hans Dieter Reibold zum Mittagsvesper. Auf den Tisch kamen, selbst mitgebracht, vor allem frische Pfälzer Wurstspezialitäten, wie Leber-, Blutwurst und Schwartenmagen.

Hinzu kamen noch ein Sauvignon Blanc und Grauburgunder, spendiert vom Winzer, beide aus dem Jahr 2022, die verkostet wurden. Der Weinbergsgarten liegt zwischen Freinsheim und Großkarlbach, in der Weinlage „Musikantenbuckel“. Über ihn, den Buckel, zogen einst fahrende Musikanten, spielten auf und kündigten sich so schon von weitem den Freinsheimern an.

Heute ist es eine Gartenlandschaft im Weinberg mit vielen netten Sitzecken auf unterschiedlichen Terrassen umgeben von etlichen kleinen Kunstobjekten. „Do kamma’s aushalde!“, so sagt man hier. In der Tat, ein wunderbarer Pausenplatz mit einem eigentlich schönen Blick auf die Stadt Freinsheim, die markante Silhouette des Haardtgebirges, die Rheinebene, sowie den Odenwald. Eigentlich. Denn wir waren im strömenden Regen vor Ort und die tiefen, grauen Regenwolken verdeckten den Blick ins Land. Gevespert wurde trotzdem unterm Pavillonzeltdach, das zumindest uns und den Wein vor den Himmelstropfen schützte. Herbstlich frisch war es zwar, aber das verdarb keinem die Laune. Und man kann über einen Tourismo sagen, was man will, die Heizung in unserem Bus war top und wärmte uns im Anschluss schnell wieder auf.

Ein Besuch der Pfalz ohne eine Fahrt entlang der Deutschen Weinstraße ist natürlich kein echter Pfalzbesuch und diese war daher auch Teil unserer Tour. Die 85 km lange Strecke beginnt am Deutschen Weintor in Schweigen-Rechtenbach nah der französischen Grenze und endet in Bockenheim am Haus der Deutschen Weinstraße. Sie verbindet die meisten Weinbaugemeinden entlang des Mittelgebirgszugs Haardt.

Die Straße ist eine touristische Erfindung aus dem Jahr 1935, um den damaligen Winzern wirtschaftlich zu helfen. Die litten einerseits unter einer Überproduktion und anderseits unter Absatzschwierigkeiten, da die hiesigen Weinhändler, vielfach jüdischen Glaubens, von der NS-Administration aus dem Geschäft verdrängt worden waren – die Winzer damals waren im Gegensatz zu heute noch keine Selbstvermarkter. Die Einführung der Deutschen Weinstraße führte tatsächlich schnell zur Belebung des Tourismus und des Weinabsatzes, ein Erfolg, der bis heute anhält.

Mit-Initiator der Weinstraße war der Weingutbesitzer Friedrich Armand Emil Bassermann-Jordan (1872-1959) aus Deidesheim. Auch ihm bzw. seinem Werk als Winzer begegneten wir bald auf unserer Reise im Tourismo. Denn eine Weinverkostung führte uns in die beachtlich großen Kellergewölbe des heute noch existierenden Pfälzer Traditionsguts „Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan“ in Deidesheim. Neben Weinbau- und Winzergeschichte standen u. a. ein Winzersekt (Pierre Brut Natur, benannt nach dem Gründer des Weinguts Pierre Jordan 1718), ein trockener Sauvignon Blanc und ein Riesling, alle aus dem Jahr 2022, auf der Kellererkundung an.

Bassermann-Jordan war nicht nur erfolgreicher Winzer, sondern darüber hinaus Verfasser renommierter weinhistorischer Bücher und Mitbegründer des Weinbaumuseums in Speyer, des ersten seiner Art in Deutschland.

Ein Besuch von Deidesheim beinhaltet wenn möglich auch einen Besuch des Deidesheimer Hofes. Nicht ohne Grund, denn hier pflegte der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl, der nur wenige Kilometer entfernt in Oggersheim privat wohnte, mit seinen internationalen Gästen, wie Jacques Chirac oder Michail Gorbatschow auf einen Saumagen und Riesling einzukehren.

Na klar, kehrten auch wir ein und selbstverständlich stand u. a. der Saumagen auf unserem abendlichen Speiseplan. Das Gericht mit dem für die meisten Deutschen ungewöhnlichen Namen ist ein Pfälzer Nationalgericht und erinnert in seiner Konsistenz an den bekannteren bayerischen Leberkäs, schmeckt aber anders und besser. Das Fleischgericht besteht mindestens aus Schweinefleisch, Brät und Kartoffeln und je nachdem was die Pfälzer Hausfrau noch so übrig hat – da hat jede Köchin ihren eigenen Stil, wie Andreas Türk betont.

Aber die Pfalz ist mehr als nur Essen und Trinken – wobei wir Reisenden gelernt haben, dass man dort den Wein oder die Schorle aus dem Dubbeglas trinkt. Es besitzt ein Fassungsvermögen von einem echten Schoppen (0,5 l). „Dubbe“ (Tupfen) sind runde Vertiefungen an der Außenseite, die dem Glas eine besondere Griffigkeit geben.  

Die Pfalz ist auch in mehrfacher Hinsicht ein geschichtsträchtiger Ort und Wiege der deutschen Einigkeit und Demokratie. Das Hambacher Schloss in Neustadt an der Weinstraße ist so ein Hotspot deutscher Geschichte, denn hier haben die deutsche Einheit und Demokratie mit dem Hambacher Fest von 1832 ihre Wurzeln. Heute dokumentiert ein Museum im Schloss die frühe deutsche Demokratiebewegung.

Die 30iger Jahre des 19. Jh. waren unruhige Zeiten für den europäischen Hochadel und ihre politische von „Gott gebende“ Herrschermacht. Die französische Junirevolution (1830), der polnische Novemberaufstand (1830/31) und die belgische Revolution (1830/31) waren teils erfolgreiche Bewegungen gegen den herrschenden Adel. All diese revolutionären Bewegungen fanden Anhänger und Sympathisanten in den deutschen Ländern und bedrohten die bestehende Ordnung.

Und in dieser politisch angespannten Situation rufen in der damals bayerischen Pfalz die Mannen rund um die Verleger und Hauptakteure Philipp Jakob Siebenpfeifer und Johann Georg August Wirth zum Hambacher Fest am 27. Mai 1832 auf. 20.000 bis 30.000 Menschen kamen aus allen deutschen Landen und aus dem Ausland zu dieser politischen Veranstaltung. Sie zeigten darüber hinaus noch in ihren Fahnen und Kokarden die Farben Schwarz-Rot-Gold. Auch diese Farben, die Uniformfarben des Lützowschen Freikorps im Freiheitskampf gegen den verhassten französischen Kaiser Napoleon, waren ein klares Signal für eine neue politische Freiheit und dem Wunsch nach deutscher Einheit. Und dann noch diese fürchterlichen Reden auf dem Hambacher Fest! Reden von europäischer Freiheit und den „vereinigten Freistaaten Deutschlands“ (Wirth)!

Kein Wunder, dass beim Establishment nicht nur in Bayern und der Pfalz, sondern in allen deutschen Fürstentümern die Sirenen schrillten. Die Staaten des Deutschen Bundes reagierten sofort mit vermehrter Repression und Überwachung ihrer Bürger. Trotzdem, der Geist war aus der Flasche und das Hambacher Fest gilt als Basis für die Deutsche Revolution von 1848/49.

Speyer am Rhein war das nächste historisch Ziel auf unserer Pfalz-Tour. Die Stadt verfügt über zwei UNESCO-Welterbestätten: die SchUM-Stätten und den Speyrer Dom. Beide sind eng mit der deutschen Geschichte verwoben. Neben Worms und Mainz war Speyer im Mittelalter ein Zentrum jüdischen Lebens und Gelehrsamkeit. Noch heute findet man in der Stadt entsprechende Monumente wie den Judenhof mit Synagoge und der ältesten erhaltenen Mikwe in Mitteleuropa.

Der Dom wiederum zählt zu den drei romanischen Kaiserdomen in Deutschland und ist die größte erhaltene romanische Kirche weltweit. Er ist berühmt als Grabstädte des Geschlechts der Salier. Die Herrschergräber mit u. a. vier deutschen Königen und vier Kaisern, darunter Konrad II., dem Kirchenstifter, befinden sich im Mittelschiff. Ihre Gruft kam man von der Krypta aus betreten. Die Krypta ist zugleich der älteste Teil des Kirchengebäudes. Sie wurde 1041 geweiht und blieb seitdem nahezu unverändert. Mit einer überbauten Fläche von 850 m2 ist sie die größte romanische Säulenhalle Europas.

Übrigens: Der Dom hat auch eine Aussichtsplattform in 60 m Höhe auf dem Südwestturm. Dort soll es einen einzigartigen Rundblick über Speyer und die Vorderpfalz geben – wenn das Wetter nicht wie auf unserer Fahrt auf graues Einerlei setzte.

Und noch ein Ausflugstipp vor Ort: Das Technik Museum Speyer ist eine Empfehlung wert, wenn man sich für Flugzeuge, Raumschiffe, Oldtimer, Schiffe und Co. interessiert. Das Museum präsentiert seine beeindruckende Sammlung auf 25.000 m2 Hallenfläche und 100.000 m2 Freigelände.

Zu den Highlights zählen u. a. die Raumfahrthalle mit dem russischen Raumgleiter Buran OK-GLI, das U-Boot U 9, das weltweit größte Frachtflugzeug, die Antonow An-22, eine begehbare Boeing 747 oder die Gebirgslokomotive Krokodil aus der Schweiz.

Das Marinehaus, ein Modellbaumuseum und das IMAX-Kino mit einer 24 m großen Leinwand runden das museale Angebot am Platz ab. Übrigens sind das Museum sowie das Schwestermuseum in Sinsheim auch immer wieder Anlaufpunkte in Sachen Omnibusoldtimer. Im April 2023 fand z. B. das 6. Europatreffen historischer Omnibusse (mit immerhin 120 in die Jahre gekommenen Bussen) statt. Die Organisatoren, u. a. der ehemalige Neoplan-Chef Konrad Auwärter, wollen die Geschichte der Omnibusse lebendig erhalten. Bei einem Besuch im Technik Museum bietet sich dann die einzigartige Gelegenheit, Omnibusse aus allen Epochen zu begutachten.

Irgendwann wird auch unser Tourismo, mit dem wir wieder nach „Mannem“ zurückkehrten, zu den Veteranen gehören, aber noch darf er hier nicht mitmachen.

Bildquelle: Kirsten Krämer, Dirk Sanne

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