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Setra ComfortClass & TopClass: Das Plus an Sicherheit

In vielen Dingen sind beiden Fahrzeugklassen Setra ComfortClass & TopClass, die Daimler aktuell auf den Markt bringt, nur eine Weiterentwicklung der bisherigen Typen. Die Motoren und die technischen Daten sind weitgehend bekannt (siehe Kasten). Die Technik und vor allem die durchaus beachtlichen neuesten Assistenzsysteme machen auch die nächste Generation an Setra-Reisebusse erneut zu Flaggschiffen – und das wohl in jedem Fuhrpark. Die neuen Designmerkmale (Frontpartie, Rückleuchten, Schriftzug) bedeuten ebenfalls eine spürbare Modernisierung, der mittlerweile in diesem Punkt etwas in die Jahre gekommenen Setra.

Richtig zugelegt hat die neue Fahrzeuggeneration besonders in Sachen Sicherheit. Und das machte auch beim Fahren Spaß. Bei vielen Aufgaben unterstützen sie den Fahrer. Setra TopClass und ComfortClass basieren auf einer weiterentwickelten Elektrik-/Elektronikplattform. Sie bildet u. a. die Basis für die neueste Generation von Assistenzsystemen. Mit ihnen setzen Setra TopClass und ComfortClass in ihren Segmenten in meinen Augen Maßstäbe – etliches gehört dabei zur Serienausstattung, aber leider (noch) nicht alles.

Active Drive Assist 2

Der optionale Active Drive Assist 2 ermöglicht z. B. erstmals das teilautomatisierte Fahren in einem Omnibus. Es handelt sich dabei u. a. um einen sogenannten aktiven Spurhalteassistenten. Diese Technik unterstützt dabei den Fahrer durch die Kombination verschiedener Assistenzsysteme aktiv beim Abstand- und Spurhalten. Es ist beeindruckend zu erleben, wie der Setra dann selbsttätig bremst, beschleunigt und durch eigenständige, sanfte Lenkbewegungen in der Spur gehalten wird.

Voraussetzung für Letzteres ist allerdings, dass das System die Fahrbahnmarkierungen, sowohl links als auch rechts, erkennt. Es ist daher im Wesentlichen für Fernstraßen mit klaren Fahrbahnmarkierungen gedacht und spielt dort sein Können in allen Geschwindigkeitsbereichen aus.

Wenn Systemgrenzen wie z. B. unklare Fahrbahnmarkierung, zu schmale Spur, zu enge Kurvenradien erreicht werden, schaltet sich das System sofort passiv. Dies wird begleitet durch eine Warnung an den Fahrer, signalisiert durch eine entsprechende Anzeige im Cockpit.

Beim aktiven Lenkassistenten bewegt ein E-Motor die hydraulische Lenkung in Kooperation mit der Längsführung durch den Abstands-Regel-Tempomaten.

Der Fahrer hat dabei sogar die Wahl, wie sich der Bus innerhalb der Fahrspur positionieren soll: mittig in der Spur oder links bzw. rechts von der Mitte um 10 bis 20 cm versetzt. Ein grünes Lenkradsymbol im Zentraldisplay signalisiert dem Fahrer, dass ihn der aktive Lenkassistent bei der Querführung des Fahrzeugs unterstützt. Diese Art der Lenkunterstützung kann der Busfahrer jederzeit durch einen eigenen Lenkeingriff übersteuern. Ebenso lässt sich diese Hilfe auch deaktivieren.

Allerdings bleibt der Fahrer auch bei der aktiven Lenkhilfe immer in der Verantwortung und muss seine Hände grundsätzlich am Steuer haben. Wenn er es nicht macht, verlangt die Technik nach seinem Zugriff. Er muss dabei eine leichte Lenkbewegung ausführen, damit das System weiß, dass der Fahrer noch aufmerksam hinterm Lenkrad sitzt und nicht eingeschlafen ist oder gar den Service an Bord übernommen hat und unter den Fahrgästen Kaffee ausschenkt. Das wäre erst beim vollautonomen Fahren (Level 5) statthaft – eine Zukunft, die gar nicht so weit weg sein soll, wenn man den Optimisten Glauben schenken will. 2025 könnten dann erste vollautonome Pkw auf den Markt kommen.

Zurück zur heutigen Lenkhilfe im Setra. Hier setzt die einzige Kritik an dieser an sich in Portugal überzeugenden Technik an: Warum verlangt auch ein sauber in der Spur rollendes Fahrzeug nach einer (kleinen) Lenkbewegung, um zu wissen, dass ein Fahrer an Bord ist und hellwach seiner Aufgabe nachgeht? Das haben die Kollegen auf der Pkw-Seite anders und meiner Ansicht besser gelöst. Hier reicht ein entspannter Druck auf die im Lenkradkranz verbauten Drucksensoren, um der Elektronik zu beweisen, dass man noch alles im Griff hat.

Bereits nach 15 Sekunden, in denen die Lenkhilfe glaubt, dass der Fahrer nicht mehr aktiv selber lenkt, warnt das Assistenzsystem mit einer gelben, danach mit einer roten Anzeige in der Instrumententafel. Hinzu kommen zusätzliche akustische Warnungen in immer kleineren Abständen bis zum schrillen Dauerton.

Emergency Stopp Funktion

Aber die Sicherheitsarchitektur hinter der Lenkhilfe geht noch ein Schritt weiter und Setra hat sich hier echt etwas einfallen lassen: die Emergency Stopp Funktion. 60 Sekunden nach Beginn der Warnkaskade (und ohne Lenkeingriff des Fahrers) wird diese Funktion aktiv. Zuerst nimmt sie für eine Sekunde das Gas weg. Geschieht immer noch nichts seitens des Chauffeurs, übernimmt die Emergency Stopp Funktion die Kontrolle des Busses und versucht in einerseits in der Spur zu halten – innerhalb der technisch bedingten Systemgrenzen. Das Fahrzeug reduziert andererseits weiter seine Geschwindigkeit und bremst den Bus moderat bis zum Stillstand. Es werden dabei die Scheinwerfer und die Warnblinkanlage aktiviert, um den rückwärtigen Verkehr zu warnen. Sobald der Wagen steht, wird die elektrische Feststellbremse angezogen.

Während der ganzen Zeit wird der Fahrer durchgehend optisch im Display und akustisch über den anstehenden Nothalt informiert. Während der ganzen Zeit kann der Kraftfahrer diesen Prozess durch einen Kickdown beenden und die Kontrolle über Lenkrad und Bus wieder an sich ziehen.

Auf Portugals Straßen haben wir diesen Nothalt natürlich nicht ausprobiert. Denn die Emergency Stopp Funktion beinhaltet ja auch Gefahren, nicht nur für den nachfolgenden Verkehr, aber für diesen besonders. Trotzdem halte ich diese Funktion für den richtigen Schritt in der modernen Sicherheitsarchitektur. Nach 60 Sekunden ohne manuelle Lenkung (und entsprechender Warnung an den Fahrer) kann man von einem Notfall hinterm Steuerrad ausgehen. Bei Abwägung aller Gefahren ist es dann sinnvoller, den Bus zu stoppen – auch im fließenden Verkehr –, als ihn unkontrolliert weiterrollen zu lassen.

ABA 5

Auch der Active Brake Assist (ABA 5) erlebt in den neuen Setras einen Schritt nach vorne. Dabei handelt es sich, laut Daimler, um den weltweit ersten Notbremsassistent, der mit einer Vollbremsung auf sich bewegende und stehenbleibende Fußgänger reagieren kann.

Der ABA 5 arbeitet erstmals mit einer Kombination aus Radar- und Kamerasystem. Das in TopClass wie ComfortClass angenehmerweise serienmäßige Assistenzsystem kann nicht nur wie das bisherige System ABA 4 eine automatisierte Vollbremsung bis zum Stillstand auf stehende und sich bewegende Hindernisse, wie z. B. Pkw, ausführen. Als erster Notbremsassistent für Omnibusse kann ABA 5 jetzt bis zu einer Fahrzeuggeschwindigkeit von 50 km/h eine automatisierte Vollbremsung ausführen, wenn gehende oder stehende Personen sich im Gefahrenbereich aufhalten.

Auch hierbei wird zuerst der Busfahrer optisch und akustisch gewarnt. Zudem leitet das System mit maximal 50 % der Bremskraft eine Teilbremsung ein. Greift der Fahrer nicht ein, setzt sich automatisch eine Notbremsung ein, bis das Fahrzeug steht.

Predictive Powertrain Control

Das ist bei Weitem noch nicht alles an Highlights, was Daimler seinen Premiumbussen spendiert. Die Predictive Powertrain Control (PPC) erfuhr ebenfalls eine Weiterentwicklung. Der vorausschauende Tempomat – ebenfalls serienmäßig in Setra TopClass und ComfortClass – integriert eine an die Topografie angepasste Fahrweise in die Schaltautomatik und ermöglicht so spürbare Kraftstoffeinsparungen.

PPC ist mit dem Abstands-Regel-Tempomaten verbunden, kann ab 15 km/h aktiv werden und berücksichtigt jetzt auch Kreuzungen und Kreisverkehre usw. Mit seinem erweiterten Kartenmaterial werden neben Autobahnen und Fernstraßen nahezu alle Außerortsstraßen in Europa (95 %) abgedeckt.

Das Prinzip hinter der Technik: Durch GPS weiß PPC den genauen Standort seines Fahrzeuges. Und es kennt die Topografie des voraus liegenden Straßenabschnitts. Auf Basis dieser Daten, der gesetzten Geschwindigkeit, der aktuellen Fahrzeugmasse sowie den Daten zu Motorleistung, Drehmoment und Getriebe regelt PPC die Geschwindigkeit und nimmt Einfluss auf die Schaltstrategie.

Wird PPC auf einer Überlandstrecke aktiviert und es wird eine Ausrollsituation erkannt, sprich für den nächsten Streckenabschnitt wird sinnvollerweise weniger Tempo benötigt, werden die reduzierte bzw. ideale Geschwindigkeit und der Grund der Geschwindigkeitsreduzierung (Kurve, Kreisverkehr, Vorfahrtachten, Stoppstelle) im Display optisch angezeigt. Der Fahrer weiß so, dass z. B. eine Rechtskurve bevorsteht und mit welchem Tempo der Bus diese Kurve durchfahren will. Auf den Testrunden in Portugal konnten wir also nahezu jederzeit „nachlesen“, warum der Bus selbsttätig langsamer wurde, ohne dass ein Fahrzeug voraus die freie Fahrt behinderte.

Zudem reduziert PPC aufgrund seines Wissens über die jeweilige Straßenführung rechtzeitig die Geschwindigkeit vor Ortseinfahren, engen Kurven, Verkehrskreiseln, Stoppstraßen u. a. m. Das einzige, was der Fahrer dann noch tun muss, ist Bremsen und gegebenenfalls den Bus zum Stillstand bringen, damit der Vorfahrberechtige auch seine Vorfahrt bekommt.

360°-Kamerasystem und Voll-LED

Neben diesen dominanten Verbesserungen bei den Sicherheitsfeatures gibt’s weitere Neuheiten, die zumindest erwähnt werden sollten. Dazu gehören die elektronische Feststellbremse und das 360°-Kamerasystem, das den Vogelblick auf den Bus erlaubt. Auch die neuen, lichtstärkeren Voll-LED-Scheinwerfer und der Fernlicht-Assistent verbessern die Sicherheit rund um die neuen Setras. Allein Spiegelersatzsysteme stehen noch nicht im Ausrüstungsprogramm, auch nicht optional. Hier mochte in Portugal noch keiner der Daimler-Kollegen so richtig Auskunft geben, wann diese folgen sollen. Im Design, so hieß es, wären sie allerdings schon auf die Busse abgestimmt.

Trotzdem, unser Fazit lautet: Gerade in puncto Assistenz sind die aktuellen Setra ComfortClass und TopClass in der richtigen Spur.

Bildquelle: Daimler Truck (modifiziert)

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