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9-Euro-Ticket: Fahrtenverlagerung zugunsten von Bus und Bahn

Durch den Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket, das seit 1.6.2022 bundesweit im Nahverkehr gültig ist, sollen die Verbraucher im Rahmen des Entlastungspakets Kostensenkungen für Mobilität erfahren. Während eine Reduzierung der Preise für Kraftstoffe eine Woche nach Inkrafttreten bereits in Frage gestellt wird, nachdem die Mineralölkonzerne pünktlich zu Pfingsten die Kraftstoffpreise angehoben haben, ist die Wirkung der günstigen Monatskarte für den Nahverkehr offen. Beim 9-Euro-Ticket scheint sich eine Fangemeinde zu etablieren. Die Deutsche Bahn meldet positive Absatzzahlen und berichtet über eine Verdopplung der Verkäufe innerhalb einer Woche, so dass bisher etwa 6,5 Mio. Tickets allein bei der DB verkauft wurden. Der Hamburger Verkehrsverbund meldete bereits am 31.5.2022 die Absatzzahl von 1 Mio. Tickets (inkl. 680.000 Abonnenten, die das Ticket automatisch erhalten haben).

„Alle Augen richten sich auf das 9-Euro-Ticket, bei dem der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) von insgesamt 30 Mio. Nutzerinnen und Nutzern pro Monat ausgeht. Auch hier gibt es erste Medienberichte und Kommentare, die sich vor allem auf volle Züge im Bahnregionalverkehr zum Pfingstwochenende fokussieren. Umso wichtiger ist es, möglichst schnell belastbare Zahlen zur Nutzung und den konkreten Erfahrungen bzw. möglichen Verkehrsmittelverlagerungen bereitzustellen“, betont Andreas Krämer, CEO der exeo Strategic Consulting AG und Co-Autor der Studie OpinionTRAIN.

Die Ergebnisse der Studie im Überblick:

Die Studie OpinionTRAIN untersucht in einer Sonderwelle speziell die Nutzung des 9-Euro-Tickets zum Start der Gültigkeitsperiode im Juni. Befragt wurden am 7./8. Juni (eine Woche nach Start der Aktion) ca. 3.200 Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland zur Kenntnis, Kaufabsicht und konkreten Nutzung der 9-Euro-Monatskarte. Neben dem hohen Bekanntheitsgrad des Angebotes von etwa 97 % berichten bereits 29 % der Befragten, dass sie ein 9-Euro-Ticket besitzen (n=886). Etwa 10 % haben schon Tickets für Juli und August gekauft. Ein erheblicher Anteil von 26 % hält den Ticketkauf in der nächsten Zeit für möglich, 38 % halten ihn für unwahrscheinlich. Die Besitzer des 9-Euro-Tickets setzen sich erwartungsgemäß tendenziell aus ÖPNV-affinen Verbraucher zusammen. Dies ist bereits dadurch bedingt, dass Personen, die bisher über ein ÖPNV-Abonnement verfügen, automatisch zu 9-Euro-Ticket-Kunden werden. Wie die Befragung belegt, handelt es sich bei etwa einem Viertel der Besitzer des 9-Euro-Tickets um Personen, die den ÖPNV vor Juni 2022 gar nicht oder nur sporadisch genutzt haben. Aber nicht nur in diesem Teilsegment ist eine verstärkte Nutzung des ÖPNV im Verbundgebiet bzw. der Bahn im überregionalen Nahverkehr möglich. So geben 66 % der Ticketbesitzer an, das 9 Euro-Ticket sei ein Grund, den ÖPNV häufiger als zuvor zu nutzen, 89 % halten das 9-Euro-Ticket für einfach und unkompliziert zu erwerben.

Nutzungs-Schwerpunkt sind Fahrten am Wohnort
Neun von zehn Besitzer/innen haben das Ticket während der ersten 7 Geltungstage bereits genutzt. Auch wenn medial die Erfahrungen von Kunden im Vordergrund stehen, die das 9-Euro-Ticket für längere Fahrten am Pfingstwochenende genutzt haben, ist ein eindeutiger Schwerpunkt erkennbar, wenn die Befragten über ihre letzte Nutzung berichten: Etwa zwei Drittel der Fälle betreffen dabei Fahrten am Wohnort, 30 % gehen über die Grenzen des Wohnorts hinaus, bleiben aber unter 100 km Reisedistanz. Weniger als 10 % entfallen auf Reisen von mehr als 100 km Entfernung.

Erhebliche Fahrtenverlagerung vom Pkw zugunsten von Bussen und Bahnen
In Hinblick auf die berichtete Fahrt wurden die Nutzer danach gefragt, wie die Verkehrsmittelwahl ohne das 9-Euro-Ticket ausgesehen hätte. 47 % der Fahrten wären auch sonst mit Bussen und Bahnen unternommen worden (aber mit einem anderen Fahrschein), bei 44 % hat eine Verlagerung von anderen Verkehrsmitteln stattgefunden – wobei mehr als die Hälfte davon auf den Pkw entfällt. Weniger als 10 % der Fahrten sind induzierter Neuverkehr, d. h. die Fahrten wären ohne das 9-Euro-Ticket überhaupt nicht zustande gekommen. Effekte hinsichtlich einer Nachfrageverlagerung zugunsten von Bussen und Bahnen sind vergleichsweise geringer ausgeprägt bei den eher kürzeren Fahrten am Wohnort und stärker bei den längeren Strecken zu beobachten, die mehr als 100 km über den Wohnort hinausreichen.

Trotz punktueller Überlastung der Fahrzeuge hohes Zufriedenheitsniveau
Die Befragungsergebnisse unterstreichen, dass die Erfahrungen von Kundinnen und Kunden mit dem 9-Euro-Ticket, insbesondere beim Aspekt Verfügbarkeit von Sitzplätzen, vergleichsweise kritisch sind. Dies wird wiederum getrieben durch die Nutzung des Tickets auf längeren Strecken, auf die viele Medienberichte abgezielt haben. So zeigt sich jeder zweite Kunde auf Fahrten von mehr als 100 km Streckenlänge unzufrieden mit der verfügbaren Sitzplatzkapazität. Allerdings trifft dies nur ein Teilsegment der Nutzungen. Insgesamt sind rückblickend weniger als 10 % der Kunden weniger zufrieden oder unzufrieden mit der letzten Fahrt mit dem Ticket. Dem stehen mehr als 60 % der Nutzer entgegen, die sich als vollkommen oder sehr zufrieden einordnen.
Unter Einbeziehung des extrem niedrigen Preises von 0,3 Euro pro Tag geben 48 % der Ticketbesitzer an, bei Fahrten mit dem 9-Euro-Ticket auch volle Busse, Bahnen und Bahnhöfe gern in Kauf zu nehmen. Dies zeigt, dass zumindest ein Teil der Kundschaft Komfortverluste im Zusammenhang mit der Ticketnutzung in Kauf nimmt. 55 % der Ticketbesitzer würden nach eigenem Bekunden das Ticket auch nutzen, wenn der Preis höher als 9 Euro wäre (Ablehnung 17 %). Dies zeigt, dass die von der Politik bezweckte Entlastung der Verbraucher/innen zumindest in der Wahrnehmung vieler Nutzer/innen angekommen ist. Auch nachhaltig positive Imageeffekte für den Nahverkehr zeichnen sich ab.

„Die Studienergebnisse geben ein erstes – sicher kein abschließendes – Bild zur Wirkungsweise des 9-Euro-Tickets. Bezüglich der vielfach diskutierten Verkehrswende deutet die Erhebung auf vielversprechende Veränderungen in der Verkehrsmittelwahl durch das Angebot einer niedrigpreisigen Monatskarte. Gleichzeitig unterstreicht der Erhebungsansatz wie schnell sich belastbare Daten durch Onlineerhebungen bereitstellen lassen“, resümiert Johannes Hercher, Vorstand der Rogator AG und Co-Autor der Studie OpinionTRAIN. Ob das 9-Euro-Ticket aus Sicht der Politik und Wirtschaft die hochgesteckten Anforderungen und Ziele erfüllt, werden die nächsten drei Monate zeigen.

Bildquelle: Dirk Sanne