Ein „Billigheimer“ ist der Streetway sicherlich nicht. Dafür ist er zu seriös aufgebaut und im Sinne des Wortes seinen Preis von knapp 200.000 Euro auch preis-wert. Doch ein Iveco, wie er von sich behauptet, ist er im Kern nicht.
Mit dem Modell Streetway rundet Iveco sein Stadtbusangebot nach unten ab. Diesen neuen Niederflurbus mit einer Länge von 12 m haben wir uns aktuell in Ulm bei Iveco Bus angesehen. Das Licht der Welt erblickte der Streetway bereits 2021. Vorgestellt wurde er damals in Kroatien und gedacht ist er eigentlich für preissensible Märkte, wie es so schön heißt. Jetzt soll er aber auch auf dem heimischen Markt Punkte holen. Einem größeren deutschen Publikum präsentierte man ihn daher auf der diesjährigen Bus2Bus in Berlin als neue Alternative im Niederflurbusbereich. Der dort gezeigte Zwölfender ist der erste seiner Bauart, die auf den deutschen Markt kommt. Noch in diesem Jahr sollen die Gelenkbusvarianten mit 18 und 18,75 m Länge kommen.
Der 12-m-Streetway, den es hierzulande mit knapp unter 200.000 Euro zu kaufen geben soll, ist im Kern kein Iveco, sondern ein Otokar Kent C. Preislich platzieren die Italiener ihn damit rund 30.000 Euro unter dem Iveco-eigenen Urbanway (Streetway 18 m: ca. 350.000 Euro).
Ein Fahrzeug in dieser Preisklasse anzubieten, ist in Europa nicht gerade einfach, denn die Produktionskosten sind vergleichsweise hoch. Betriebswirtschaftlich fällt da schnell das Auge auf die Türkei, gerade weil eben hier die Personalkosten auf niedrigem Niveau liegen. Und: Warum soll man selber einen Bus entwickeln, wenn dort schon das Objekt der Begierde schon existiert?
Bei der Suche auf einen Kooperationspartner fiel schnell auf Otokar, was allerdings wenig überrascht. Denn, Iveco arbeitet bereits seit Längerem mit dem türkischen Kollegen zusammen, der im Auftrag der Italiener den Crossway in Hochbodenausführung mitproduziert.
Einen großen Unterschied gegenüber dem im Wesentlichen baugleichen Kent gibt es jedoch. Im Heck arbeitet ein Cursor 9 (Euro 6e) von FPT Industrial. In den Bussen von Otokar ist dagegen ein Cummins ISB6.7E6 (221 kW/300 PS) verbaut.
Den 8,7 l großen Cursor 9 gibt es dagegen mit 228 kW/310 PS bei 2200 min-1 – so ist der hier vorgestellte Bus bestückt – und 265 kW/360 PS. Das maximale Drehmoment liegt beim 228-kW-Bus bei 1300 Nm bei 1100 min-1. Das Triebwerk verträgt Diesel und Biodiesel; alternativ gibt es noch ein Erdgas/Biomethan-kompatibles Aggregat.
Als Getriebe ist in diesem Fall ein Voith Diwa 6 verbaut. Alternativ stehen auch zwei Automatikvarianten des ZF EcoLife 2 (6AP1420B, 6AP1720B) zur Wahl.
Insgesamt wirkt der Wagen durchaus robust und einsatztauglich. Der Innenraum kann sich mit seinen 32 dunkelblau gepolsterten Kiel-Sitzen sehen lassen, der Boden ist in Laminat-Optik gehalten, die Seitenwände erheben sich im schlichten Grau. Die Sitzpodeste haben als Abschluss eine hellgelbe Gummierung, die sogar an den Ecken über zusätzliche kleine Kantenschutzbleche verfügen.
Hier gibt es in Sachen Montage wenig zu kritisieren. Nur über das Thema Spaltmaße sollte man nicht groß nachdenken. Das scheint bei der Produktion kein stichhaltiges Argument in puncto Qualitätsmanagement gewesen zu sein. Gut, dann findet eben der (meist) jüngere Fahrgast im ÖPNV auch genügend Kaugummiaufbewahrungstellen. In diesem Fahrzeug waren Unterlegkeil und Gebläseheizer zudem noch unter den Sitzen auf den Boden montiert, was die Reinigung behindert und sie zu wahren Schmutzfängern macht. Dieses Manko will Iveco aber noch abstellen.
Der Niederflurbereich zwischen vorderer und mittlerer Tür entspricht dem, was der Markt erwartet. Auf dem Weg nach hinten wandelt es sich im Dreitürer schnell zu einem schmalen Gang. Im Heck auf Höhe der dritten Tür und vor dem Motorturm ist eine Vis-à-Vis-Bestuhlung auf einem Podest montiert. Drei enge und verbaute Sitze zwischen Motorturm und Seitenwand, eigentlich bessere Notsitze, schließen den Innenraum in Sachen Bestuhlung ab. Eine durchgehende Bank wäre hier die elegantere Lösung.
Der Fahrerarbeitsplatz stammt aus dem Kent. Er ist einfach gehalten, aber durchaus pragmatisch. Allein die Ablagefläche rechts neben dem Fahrer ist schlicht ausgefallen und nicht breit genug, um z. B. als Handy-Ablage zu taugen. Der Becherhalter davor reicht auch nur für einen Pappkaffeebecher.
Platz nimmt der Fahrer auf einem Isri-Sitz.
Das Lenkrad verstellt man, indem man einen Knebel an der Lenkstange löst. Option ist eine Druckluftlösung. Die A-Säulen fallen etwas breit aus, was unter Umständen den Überblick beim Abbiegen einschränkt. Zudem stören die Heizdrähte in der Seitenscheibe den Blick in den linken Spiegel. Ein Abbiegeassistent von Mobileye erhöht dagegen wiederum die Sicherheit. Das eine Display sitzt dazu auf Augenhöhe an der A-Säule. Rechts jedoch muss man den Blick bis zu den Spiegeln heben, um das dortige Display zu erblicken.
Digitale Spiegel sind zumindest in der Planung und sollen grob veranschlagt ca. 4.500 Euro extra kosten. Eine ergänzende Bugkamera liegt bei ca. 1.500 Euro.
Wer den Wagen fährt, wird wie wir merken, dass sich er durchaus auf dem Niveau anderer Stadtbusse in dieser Größenklasse bewegt. Er kennt drei Beschleunigungsmodi, die es ab Werk vorprogrammiert gibt: Eco, Standard und Power. Unser Wagen startet im Standard, was einen gemächlichen Antritt bedeutet – fahrastfreundlich eben. Auch die Manövrierbarkeit ist völlig in Ordnung, der Wendekreis ist durchaus eher klein zu nennen.
Das teils spürbar auffällige Schalten der Automatik entspricht dagegen nicht dem bekannten Voith-Niveau. Hier seien bei diesem frühen Vorführer, so die Erklärung von Iveco, die Schaltabläufe seitens Voith-Technik noch nicht sauber abgestimmt worden.
Über Verbräuche können wir nichts berichten, dafür war unsere kurze Tour durch das Ulmer Stadtgebiet und das ländliche Umland auch nicht ausgelegt. Trotzdem ein erstes Fazit: Für diesen Preis bekommt man ein preisgerechtes Fahrzeug, das zumindest auf den ersten Blick keine echten Mängel erkennen lässt.
Wer trotz des geringen Preises zögert, einen Kent-Iveco namens Streetway in seine Flotte aufzunehmen, der möge Folgendes zu Kenntnis nehmen, wie die Italiener betonen: „Egal, wo Sie sich befinden, Sie werden immer eine Iveco-Bus-Werkstatt bzw. eine zugelassene Reparaturwerkstatt in Ihrer Nähe finden. Dank eines flächendeckenden europaweiten Servicenetzes mit über 2000 Anlaufstellen und topqualifizierten Technikern und Diagnosespezialisten steht Iveco Ihnen jederzeit zur Seite, um Sie im Bedarfsfall zu unterstützen. 90 % der Reparaturen erfolgen innerhalb von 24 Stunden“, so das Versprechen der Fahrzeugbauer Turin, das auch für den Streetway trotz seiner fremden Wurzeln gilt.
Streetway (12 m) Technische Daten
Motor: Cursor 9, Euro 6e
Hubraum: 8,7 l
Leistung: 228 kW/310 PS bei 2200 min-1
Max Drehmoment: 1300 Nm bei 1100 min-1
Getriebe: Voith Diwa 6
Länge/Breite/Höhe: 12000/2540/3245 mm
Radstand: 5900 mm
Überhang (v/h): 2700/3400 mm
Einstiegshöhe (v/M/h): 330 mm
Türbreite (v/M/h): 1200 mm
Wendekreis: 23200 mm
Achslasten (v/h): 8000/12500 kg
Zul. GG: 19000 kg
Leergewicht: 12587 kg
Fahrgastsitze: Kiel Ideo
Fahrersitz: Isri
Sitzplätze: 32 + 1
Kapazität: 81
Dieseltank: 280 l
Bildquelle: Sanne
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